Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
wenn sie ihm schmeichelte.
»Nun, ich habe den Eindruck, dass du dich in diesen Dingen auskennst, Àtha«, sagte der Landlord und nahm am Kopfende Platz. »Und für mich ist es angenehm, einmal gesittete und gebildete Gesellschaft zu haben.«
»Gebildet? Ich weiß doch leider nichts mehr …«
»Dein gutes Benehmen lässt keine Zweifel offen, also gehe ich davon aus, dass sich der Rest auch bald einstellen wird.« Er lächelte. Seine Zähne waren ebenso gepflegt wie sein Bart, und seine Augen blitzten. »Deine Schönheit, die man vorher nur erahnen konnte, zeigt sich nun in aller Offenheit, und ich habe viel dafür übrig.«
Dann aßen sie, und Àtha stellte fest, wie sehr sie diese Genüsse vermisst hatte. Sie erinnerte sich zwar an keinen einzigen Geschmack, erkannte aber die ausgewählte Zubereitung der Speisen und goutierte sie.
»Mir wurde berichtet, du hättest einen Spiegel zerstört«, sagte Sir Rupert, als sie beim Dessert angekommen waren.
»Spiegel verkehren das Innere nach außen«, versetzte Àtha. »Sie sind abscheulich!«
»Bei diesem Glauben, der übrigens sehr katholisch klingt, musst du eine Irin sein.« Er schmunzelte. »Eitelkeit …«
»Ich muss mich nicht immer von Neuem davon überzeugen, wie ich aussehe.«
»Dennoch sind Spiegel wichtig, denn sie zeigen viel von der Wahrheit. Und weißt du, warum die Iren besonders gern Spiegel einsetzen?«
»Nein.«
»Damit erkennen sie Elfen. Deshalb bringt es auch Unglück, wenn man einen Spiegel zerbricht, weil man sich des einzigen Schutzes vor ihnen beraubt.«
Àtha lachte und trank einen Schluck Wein. »Dummer Aberglaube, nichts weiter. Warum fürchten die Iren die Elfen? Diese Zeiten sind doch schon lange vorbei, erst recht, seit ihr Protestanten die Macht übernommen habt.«
Sir Rupert zuckte die Achseln. »Nun, ich bin zwar Halbire, halte aber selbst nicht viel davon. Es gibt noch viele, die davon überzeugt sind, dass die Tore in die Anderswelt nach wie vor offen stehen. Die Welten der Sterblichen und Unsterblichen haben sich vor langer Zeit voneinander getrennt, doch manche Iren sind davon überzeugt, dass die Elfen unter ihnen wandeln – ab und zu wenigstens.«
»Deshalb also nannten sie mich
Hexe
«, murmelte Àtha nachdenklich. »Allerdings
ist
etwas seltsam an mir, denn ich … komme mit dieser Zeit nicht zurecht. Ich habe das Gefühl, als gehörte ich nicht hierher. Ich meine nicht dieses Land, sondern dieses Jahr.« Sie wagte sich weit vor, aber da er das Gespräch auf Magie gebracht hatte und sich nicht unvernünftig anhörte, wollte sie es riskieren.
Sir Rupert lehnte sich zurück und betrachtete sie interessiert. »Du kommst aus dem See, hast du erzählt.«
»Ich lag am Ufer, ja. Zumindest erzählte Tómas mir, dass er mich dort fand – so nass, als wäre ich gerade angespült worden.«
»Gott sei der Seele des armen Kerls gnädig«, brummte Sir Rupert. »Dieses abergläubische Pack hat ihn auf dem Gewissen, er ist nicht der Erste. Ich kann es ihnen nicht austreiben …«
Seele!
Àtha saß wie erstarrt. Das war es! Das hatte sie aus dem Fischer gesaugt, und das hatte sie gestärkt. Und es war nicht das erste Mal, dass sie das getan hatte, auch früher schon …
früher
…
»Komme ich also doch aus der Anderswelt?«, entfuhr es ihr. »Tómas nahm an, ich sei eine Watershee …«
»Oh, das bist du nicht, dafür bist du zu wenig tödlich.« Sir Rupert lächelte. »Aber es gibt genügend Geschichten, in denen Menschen von den Unsterblichen in die Anderswelt entführt wurden. Wenn sie dann zurückkehrten, kam es vor, dass sie innerhalb weniger Augenblicke alt wurden und starben, oder sie fanden sich nicht mehr zurecht, weil Jahrhunderte vergangen waren.«
Àtha spielte mit der Gabel auf dem Teller. »Das könnte mir passiert sein …«
»Ja, in einer fabelhaften Geschichte von Jonathan Swift.« Sir Rupert fing an, das Interesse zu verlieren, und zog ein gelangweiltes Gesicht.
Sofort wandte Àtha sich ihm zu und lächelte ihn an. Seine Miene löste sich augenblicklich zur Faszination.
»Nun denn!« Er stand auf. »Es ist spät geworden, lass mich dich zu deinem Gemach geleiten.«
Àtha fühlte sich überhaupt nicht müde, im Gegenteil, jetzt erwachten ihre Lebensgeister erst. Sie war ein wenig erstaunt, dass ihr fehlender Schatten niemandem auffiel. Aber so genau sahen die Menschen eben nicht hin, wenn sie etwas nicht unbedingt wahrnehmen wollten. Àthas Schönheit lenkte von allem anderen ab, und sie setzte diesen
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