Elfriede im Salon (German Edition)
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“ Was ist eigentlich Philosophie?”, fragte eine gelangweilte Lulu in die geistige Leere des Raums hinein. Selbstverständlich wollte sie die Männer nicht stören, die so bedächtig still waren. Das waren sie eigentlich den ganzen Abend schon, aber in den letzten Minuten fiel das Schweigen so richtig ins Gewicht. War es eine Art Meditation, die die Männer trieben? Schweigen schien beim Philosophieren das oberste Gebot zu sein. So etwas wie diesen Abend hatte die Nutte noch nie erlebt. Vereinzelt hatte sie Schüchternheit erlebt, aber was auch immer in diesem Raum vorherrschte, ob kollektive Schüchternheit oder Philosophie, passte nicht in ihr Weltbild. Dies war keine Orgie, dies musste Philosophie sein. Und das sollte Spaß machen?
“ Wenn man losgelöst von den alltäglichen Problemen über das menschliche Leben und die Welt nachdenkt, dann philosophiert man”, antwortete Robert Unmuth. “Und sprechen ist dabei nicht erlaubt?”, hakte Lulu nach. “Im Gegenteil, wir treffen uns hier, um unsere Gedanken auszutauschen, und dies geschieht gewöhnlich, in dem man miteinander spricht. Vertritt man unterschiedliche Positionen, unterschiedliche Meinungen, diskutiert man darüber.” - “Davon ist aber nicht viel zu hören.” - “Sie können sich vielleicht vorstellen, dass sie uns in eine peinliche Lage gebracht haben” - “Ich kann ja gehen.” - “Nein, nein, sie sind für diesen Abend unentbehrlich.”
Lulu bekam eine Ahnung davon, dass es den komischen Käuzen nicht nur ums Ficken ging, sondern zusätzlich um etwas anderes. Aber das war nicht ihr Problem; sie wurde fürs Ficken bezahlt. Was hatte die seltsame Elfriede für eine Rolle? Sie bekochte und bediente die Männer, aber wenn sie dies praktisch nackt tat, hätte sie doch auch ihren Part übernehmen können.
“Sie wollten ihren Spaß, ne ganz geile Nummer, aber es scheint so, als ob sie keinen Spaß gehabt hätten.” Dies war für eine Nutte eine fast unerlaubte Bemerkung, aber die Verhältnisse des Abends waren so seltsam, dass selbst Lulu eine Tendenz verspürte, aus ihrer Rolle zu fallen. “Wir wollten über den Spaß philosophieren”, antwortete Professor Hügel. “Spaß ist Spaß und ne geile Nummer ist ne geile Nummer.” Offensichtlich gelang es Lulu, die Moderation des Abends zu übernehmen. “Wenn ich sie richtig verstehe, wollen sie über ihren Spaß nachdenken und sich über ihre unterschiedlichen Ansichten streiten” - “Vielleicht brauchen wir noch ne Nummer, um uns endlich streiten zu können”, platzte es Robert Unmuth heraus. Danach schauten die beiden anderen etwas betroffen drein.
Es war gewissermaßen ein Unding, das in einer Welt, in der es Philosophie, Logik und beispielsweise Mathematik gab, Platz war für Sex. Dieser Widerspruch wurde von den anwesenden Philosophen allerdings noch nicht formuliert; jedoch Lulu äußerte: “Ich glaube Sex und Philosophie vertragen sich nicht.” Die dumme, materialistische Lulu hatte da einen Satz gesagt, der wie aus den Herzen der Männer gesprochen war. Aber Philosophie sollte seinen Ursprung nicht in den Herzen, sondern in den Köpfen der Männer finden. Fakt war, dass im Laufe des Abends die Herzen der Männer in die Hosen gerutscht und ihre Köpfe abgeschaltet waren. Derjenige von ihnen, der noch ein wenig beherzt gewesen war, hatte auch noch etwas Kopf gezeigt. Bei Robert Unmuth regte sich der Kopf. Die Macht der Schlampe musste in ihre Schranken gewiesen werden.
Währenddessen überlegte sich Elfriede, ob sie das Essen splitternackt auftischen sollte. Was für eine Überraschung, aber vermutlich auch eine Provokation und ein Schock! Schnell verwarf sie den albernen Gedanken. Sie umtrieb eine Furcht, nach dem Essen von dem weiteren Geschehen ausgeschlossen zu sein. Etwas in ihr wollte voll beteiligt sein. Dieser Abend war dermaßen aberwitzig, dass sie zu allem bereit war. Sie wollte an dieser Orgie beteiligt sein und wenn es ihre Stellung kosten sollte. Sie war alles andere als vernünftig. Im Übrigen war sie davon überzeugt, dass nur sie den Abend retten könnte. Im Salon regte sich etwas; sie hörte die Stimmen von Lulu und Robert Unmuth. Das traf sich prima damit, dass sie nun das Essen auftischen würde, wenn auch nicht splitternackt. Das Fleisch war tranchiert, das Gratin aus dem Backofen genommen und das Gemüse schwamm in der heißen Tomatensauce. Sie schnappte sich fünf
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