Elidar (German Edition)
ich …«
»Ich glaube nicht, dass wir darauf noch Rücksicht nehmen dürfen«, erwiderte Bär erstaunlich heftig. »Du bist der stärkste Magus, den die Bruderschaft seit mehreren Generationen ausgebildet hat. Wir können es uns gar nicht leisten, dich zu verlieren! Nicht wegen so einer Kleinigkeit!«
Elidar musste lächeln. ›Kleinigkeit‹ war sicher nicht das Wort, das Sturm in diesem Zusammenhang verwendet hätte.
»Natürlich darf es nicht herauskommen«, sagte Bär. »e Aber du hast ja schon bewiesen, dass du alle täuschen kannst. Was denkst du - wird dir das auch weiterhin gelingen? Hältst du die Maskerade durch - vielleicht für immer?«
Elidar schluckte. Diesen Gedanken hatte sie bisher nicht zugelassen. Konnte sie das tun? Für immer als Mann zu leben, niemanden so nahe an sich heranzulassen, dass er ihr auf die Schliche kommen konnte, niemals eine enge Bindung zu einem anderen Menschen eingehen?
»Ja«, sagte sie. »Ja, das kann ich.«
Bär nickte zufrieden. »Ich habe nichts anderes von dir erwartet - mein Junge!«
»Sturm …«, wollte Elidar, die diese Worte zwar stolz machten, voller Zweifel einwenden.
»Sturm ist Geschichte«, sagte Bär hart. »Lass ihn nur meine Sorge sein. Niemand wird zu ihm vorgelassen, der nicht zuvor bei mir war.« Er richtete sich auf, und seine Augen blitzten gefährlich. Elidar nickte beklommen.
»Da ist noch etwas«, sagte sie zögernd. »Ich fürchte, dass irgendetwas bei dieser letzten Prüfung mir Schaden zugefügt hat. Ich fühle meine Kräfte nicht mehr.«
Bär sog ein paar Mal an seiner Pfeife. Dann legte er sie sorgfältig beiseite und richtete sich auf. »Ich muss es selbst sehen«, sagte er. »Ich habe deine Prüfung durch die Dunkle Nigh nicht in allen Einzelheiten betrachten können - dafür war ich viel zu überrascht.« Er lächelte schwach und hob die Hand. »Darf ich?«
Elidar überließ sich dieses Mal leichten Herzens seiner Sondierung. Seine geistige Berührung war sanft und fest zugleich. Sie folgte seinem Weg durch ihre Erinnerungen und durchlebte erneut die Begegnung mit der schwarzen Sphäre.
Als er schließlich seine Hand sinken ließ, fühlte sie sich ähnlich erschöpft wie zuvor beim Verlassen des Kellers. Es war ein anstrengender und aufwühlender Tag gewesen, und ihre Knochen fühlten sich an, als wären sie mit Blei ausgegossen worden.
Bär steckte seine erkaltete Pfeife zwischen die Zähne. Sein Gesicht war nachdenklich. »Sehr seltsam«, sagte er nach einer Weile. »Ich habe diese Sphäre natürlich zu meiner Zeit auch gesehen, aber sie hat nicht zu mir gesprochen.« Er kaute auf der Pfeife herum. »Was mag es bedeuten, dass sie dich junge Königin nennt und dich bittet, sie nach Hause zu bringen? Wir alle haben das Auge der Dunklen Nigh immer als eine Manifestation der Kräfte unserer Bruderschaft betrachtet. Ich kenne keine Überlieferung, die etwas anderes sagt.«
»Hast du erkennen können, was meine Kräfte blockiert?«, fragte Elidar.
Bär legte die Pfeife beiseite. »Ich habe nicht den Eindruck, dass da irgendetwas blockiert ist«, sagte er. »Hast du probiert, sie zu benutzen?«
Elidar lauschte nach innen. Ihr Leben lang hatte sie das Glühen der Kraft tief in ihrem Inneren gespürt. Sie hatte nicht gewusst, was es war, aber es hatte ihre Kindheit begleitet wie ein wärmendes Herdfeuer. Jetzt war da nichts als der schale Geschmack von kalter Asche.
Sie blickte seufzend auf. »Es hat keinen Zweck, aber ich versuche es.« Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die glosenden Holzscheite im Kamin. Normalerweise hätte es nur einer kleinen geistigen Bewegung bedurft, eines winzigen Aufzuckens ihrer Kraft, damit das glimmende Holz in einer tosenden Feuersbrunst verzehrt wurde, aber jetzt geschah: Nichts.
Bär beobachtete ihre Bemühungen mit einem Anflug von Sorge. »Hör auf«, sagte er nach einer Weile. »Das hat keinen Sinn. Du bist erschöpft und aufgewühlt, wahrscheinlich stört das deine Kräfte. Geh, schlaf dich aus, morgen wirst du wieder ganz der Alte sein.« Er betonte den Artikel mit einem sardonischen Zucken seiner Mundwinkel. »Ich komme morgen früh zu dir und wir besprechen eure Einkleidung.«
Elidar lächelte matt und erhob sich. »Bis morgen also.«
»Bis morgen, Magister Zorn.«
Elidar sah die Glühwürmchen zwischen den Büschen im dunklen Garten tanzen und trat, getrieben von ihrer heftigen Sehnsucht nach frischer Luft, hinaus in den Garten. Auf ihrem Lieblingsplatz, der Bank am kleinen
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