Elidar (German Edition)
Gedanke. Dann müsste ich wohl zuallererst das gesamte Kollegium aus dem Weg räumen. Niemand hier würde mich als Magnifizenz akzeptieren. Ich bin sein Stellvertreter, weil er mich dazu ernannt hat. Wenn er stirbt, bin ich nicht einmal mehr das.« Er lachte wieder. »Wenn es mir also allein darauf ankäme, meine Stellung hier im Orden zu behalten, müsste ich ihm vielmehr ein langes und gesundes Leben wünschen.«
Elidar nickte nachdenklich. Bär gehörte nicht zu den Magistern, die sich nach Macht und Anerkennung verzehrten, dazu war er viel zu bequem. Aber dennoch …
Er hatte sie nicht aus den Augen gelassen. »Du zweifelst!«, stellte er erstaunt fest. »Was hat deine Meinung über mich derart beeinflusst?«
Die Frage überraschte sie. Ja, was war es gewesen? Etwa die abfälligen Bemerkungen der beiden Brüder über ihn?
»Dein Verhalten nach meiner Prüfung«, sagte sie.
Er hob die Brauen. »Was denn - dass ich dich in Schutz genommen habe, als dein wahres Wesen ans Licht kam? Ich hatte angenommen, dass du mir dafür dankbar bist.«
»Das bin ich auch«, sagte sie nachdrücklich. »Und nicht nur dafür - du hast mich immer unterstützt.« Sie rieb sich über die Schläfen. »Jedem der anderen Magister - vielleicht mit Ausnahme Eusebians - traue ich zu, dass er sich gegen seine Magnifizenz wendet oder versucht, so viel Einfluss und Macht zu gewinnen wie möglich. Aber ich hätte niemals geglaubt, dass du zu einer Intrige überhaupt fähig bist.«
»Der dumme, alte Bär«, sagte er sanft, »so harmlos wie ein Mäuschen und genauso gefährlich. Lasst ihn die Novizen unterrichten, da kann er sich nützlich machen.« Seine Stimme klang so ruhig wie immer, aber Elidar sah in seine Augen und fröstelte.
»Sturm hat das anders gesehen«, wandte sie ein. »Er hätte dich sonst nicht zu seinem Stellvertreter ernannt.«
Bär lachte grollend. »Casarius ist ein kluger Mann. Er hält auch nicht viel mehr von mir als alle anderen, aber er weiß einen loyalen Gefolgsmann zu schätzen. Ich habe ein breites Kreuz, er weiß, ich kann einiges von ihm fernhalten.«
Elidar schrak vor der Bitterkeit in seinen Worten zurück. »Und deshalb hast du ihn jetzt …«
»Nein«, unterbrach Bär sie scharf. »Nein, das habe ich nicht. Casarius weiß nicht mehr, was er sagt. Vor ein paar Tagen hat er Eusebian in meiner Gegenwart beschuldigt, ihn vergiftet zu haben. Der Arme wusste gar nicht, wie ihm geschah.« Er lächelte grimmig, als er Elidars zweifelnde Miene sah. »Und nicht nur ihn oder mich beschuldigt er. Wusstest du, dass du für seinen elenden Zustand verantwortlich bist? Du hast ihn bei deiner Prüfung mit einem bösen Bann belegt.«
Elidar schluckte. »Das klingt allerdings übel. Das wusste ich nicht.«
Bär ließ sie nicht aus den Augen. »Deshalb lasse ich auch niemanden zu ihm vor. Sollte er solche Beschuldigungen vor Grimm oder einem der anderen Dummköpfe des Kollegiums äußern, dann hätte das unkalkulierbare Folgen. Es ist schlimm genug, dass Sturm nicht mehr bei klarem Verstand ist und sich um den Orden kümmern kann. Diese prekäre Situation müssen wir nicht noch fahrlässig verschärfen.«
Elidar nickte langsam. Das klang alles vernünftig und ganz und gar nach dem Nicodemus Bär, den sie zu kennen glaubte. Aber dennoch …
»Was hast du also vor?«
Bär nickte zufrieden. »Das ist endlich die richtige Frage. Du bist wahrhaft mein Schüler, Elidar Zorn.«
Sie erwiderte nichts, und er fuhr fort: »Wir haben auf jemanden wie dich gewartet. Auf einen ungewöhnlich starken Magier, wenn nicht sogar einen Äthermagier. Sturm hat immer gewusst, dass selbst er nicht ewig leben wird. Und dass kaum noch Magier geboren werden - schon gar keine starken Magier! - hat die Dringlichkeit nur verstärkt.«
»Warum?«, fragte Elidar.
»Weil wir einen Nachfolger brauchen. Wir brauchen dich.«
»Ich - Nachfolger seiner Magnifizenz?« Elidar lachte auf, Bär musste scherzen. Die Vorstellung war absurd. Aber Bär stimmte nicht in ihr Lachen ein. Sie runzelte die Stirn. »Ich habe keine Erfahrung, und selbst wenn ich nun Magister bin, so habe ich immer noch viel zu lernen. Ich bin zu jung, Bär!«
Er stand auf und ging zum Fenster. Es war dunkel geworden und die Geräusche des Festes, die aus dem Hof heraufklangen, waren laut, fröhlich und trunken.
»Äthermagie«, sagte Bär so leise, als spräche er zu sich selbst. Seine sonore Stimme drang dennoch mühelos an Elidars Ohr. »So rar wie Drachengold und ebenso
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