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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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die wir heute sind.«
    Valerian nickte steif. »Wie du meinst«, sagte er gekränkt. Er wandte sich ab und murmelte etwas, das Elidar erst mit ein bisschen Verspätung verstand. Sie lief hinter Valerian her und hielt ihn fest. »Nein«, sagte sie und sah ihm ins Gesicht. »Nein, Valerian. Valon hat nichts damit zu tun. Es ist niemand hier im Haus oder sonst wo auf der Welt. Ich bin es einfach nicht gewöhnt, von mir anders zu denken als jeder es tut. Ich bin ein Mann.«
    Sie hatte den letzten Satz nur geflüstert, aber Valerian erwiderte laut: »Nein, verdammt, das bist du nicht!« Er machte sich heftig frei und stapfte davon.
    Elidar blickte ihm nach. Sollte sie hinterher gehen und ihn besänftigen? Die Müdigkeit siegte. Morgen. Es gab nichts, was nicht bis morgen warten konnte.
    Sie versuchte, das Drehen und Wirbeln in ihrem Kopf, das nicht allein dem genossenen Wein, sondern ebenso den verwirrenden Ereignissen des Tages zuzurechnen war, mit einem beruhigenden Zauber zu vertreiben. Normalerweise konnte das jeder Novize ab dem zweiten Abschnitt ohne große Mühe, aber ihr wollte auch dieser kleine Zauber wollte ihr nicht gelingen. Elidar schob auch diese Sorge in einen dunklen Winkel ihres Bewusstseins und zog die Decke über ihren Kopf. Einfach nur schlafen, mehr wollte sie nicht.
    Wirre Träume geisterten durch ihren unruhigen Schlaf. Magnifizenz Sturm drohte ihr mit Knochenfingern und stöhnte: »Bürschchen, wenn ich dich erwische!« Sie lief vor dem Schreckensbild davon und ein hausgroßer Mann versperrte ihr den Weg. Er stieß dunkelgraue Rauchwolken aus und grollte dabei wie ein feuerspeiender Berg. Sie flüchtete sich in ein Mauseloch, fiel lange Zeit durch schwindelerregende Dunkelheit und fand sich in der abgeschlossenen Höhle wieder, in der sie die schwarze Sphäre gesehen hatte. Die Höhle war leer, bis auf flüsternde Stimmen. Sie verstand die Worte nicht, so sehr sie sich auch anstrengte. Das Flüstern wurde lauter, es wurde zu einem flehenden Gemurmel, zu Rufen, zu Schreien, zu ohrenbetäubendem Gebrüll. Sie schlug die Hände vor die Ohren und krümmte sich am Boden, ein kleines, schmerzzuckendes Bündel Mensch.
    Dann war es plötzlich still. Sie lag in ihrer Kammer, in ihrem Bett, und hatte die Augen geöffnet. Jemand stand vor ihr, eine dunkle Gestalt mit hellen Haaren, deren Gesichtszüge sie im Dunkeln nicht deutlich erkennen konnte. Die Gestalt beugte sich zu ihr nieder, sie hörte Stoff rascheln und dann schlüpfte jemand zu ihr unter die Decke.
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst gehen«, murmelte sie schlaftrunken. »Wenn man uns entdeckt …«
    »Pst«, machte der Mann. Eine Hand legte sich sacht auf ihre Lippen. Sie genoss die Berührung seiner Finger auf ihrer Haut und die Wärme seines Körpers an ihrem Leib. Wann hatte sie zuletzt jemand umarmt und gestreichelt? War es ihre Ziehmutter gewesen? Der Gedanke an ihre Kindheit im fernen Kayvan stach wie mit Nadeln, und sie vertrieb ihn, um sich den sanften Berührungen hinzugeben. Schnurrend wie eine Wüstenkatze schmiegte sie sich in die fremden Arme, die nicht mollig und weich, sondern hart und ein wenig knochig waren. Dennoch genoss sie ihren festen Druck ebenso wie die unbeholfenen Küsse, die ihr Gesicht und ihren Mund trafen und dann langsam hinunter wanderten zu den Bereichen ihres Körpers, die sie niemals gelernt hatte zu benennen. Ihr Atem wurde tiefer und weicher. Sie legte ihre Hände auf den Leib des Mannes und streichelte sein festes Fleisch. Sein weiches Haar kitzelte sie. Er flüsterte ihren Namen, und sie hörte das Staunen in seiner Stimme.
    Mit einem tiefen Rauschen wie der Atemzug eines Riesen kam Hitze und Bewegung über sie, riss sie mit sich fort und schleuderte sie in die Dunkelheit. Die Stimmen flüsterten, wisperten, raunten. Sie wurden lauter, klangen frohlockend und erregt. Jetzt plötzlich konnte sie einzelne Silben und Worte verstehen. »Mutterkönigin«, sangen die Stimmen. »Junge Königin, bring uns nach Hause. Prinzessin, Drachentochter, bring uns heim.«
    Sie genoss die huldigenden Rufe der kleinen Schwestern, reckte sich träge und kratzte mit den Klauen über den harten Boden, der ihr so bequem und weich erschien wie das allerfeinste Daunenbett. Feuer umspielte ihre Nüstern und tanzte auf ihrem Atem. Seine rötlichen Reflexe spielten auf den Kristallen, die rundum an den Wänden wuchsen.
    »Mutterkönigin«, sangen die Stimmen der kleinen Schwestern.
    »Eli«, hörte sie eine andere, erschrockene

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