Elidar (German Edition)
hatte, und zu viel war seitdem passiert.
Es tat gut, sich gründlich vom Kopf bis zu den Füßen abzuschrubben, im kalten Wasser unterzutauchen und danach eine Weile im Dampfbad zu dösen.
Erfrischt und ausgeruht machte sie sich auf den Rückweg zum Roten Stier. Jetzt, wo sie sich nicht mehr so elend fühlte, konnte sie darüber nachdenken, was in den letzten Tagen geschehen war. Der Vollmond (Drachenmond, flüsterte es in ihr) hatte anscheinend die Drachenkönigin geweckt, und die war stark genug gewesen, Elidar aus ihrem eigenen Körper zu vertreiben und für etliche Tage und Nächte in einen Zustand tiefer Bewusstlosigkeit zu versetzen. Das war allerdings eine unangenehme Vorstellung.
Elidar hockte sich auf einen Mauervorsprung und stützte den Kopf in die Hände. Es war an der Zeit, darüber nachzudenken, was die Drachenkönigin in ihrem Inneren zu suchen hatte und was Elidar tun konnte, um den ungebetenen Gast wieder loszuwerden.
Das leise Lachen des Drachenwesens klingelte in ihrem Inneren. Du stellst dich dümmer als du bist , flüsterte die Königin. Versuche nicht, dir vorzumachen, dass du den Flug unter dem Drachenmond nicht auch genossen hättest!
»Aber ich kann mich doch kaum daran erinnern!«, rief Elidar.
Die Drachenkönigin machte ein belustigtes Geräusch. Du willst dich nicht erinnern. Du hast ein paar Dinge getan, die dir jetzt nicht mehr gefallen.
Elidar schüttelte heftig den Kopf. »Du bist ein Drache, ich bin ein Mensch. Was willst du überhaupt von mir? Geh und lebe dein Drachenleben, Königin. Lass mir meinen Frieden!«
Wieder lachte die Drachenstimme. Du willst es einfach nicht verstehen, Drachentochter. Das ist nicht schlimm. Es dauert so nur etwas länger. Bring uns nach Hause, Drachenkind.
Dann schwieg die Stimme. Elidar rief stumm nach der Königin, aber es blieb still in ihr. Es war, als wäre die Drachenpräsenz vollkommen aus ihrem Inneren verschwunden.
Als sie den Roten Stier betrat, sprach ein Junge sie an. »Magister Zorn?«
Elidar bejahte. Der Junge zog einen Brief hervor, den er ihr gab. Sie dankte ihm geistesabwesend, während sie den Brief ansah. Ihr Name und sonst nichts stand in einer ungelenk wirkenden Schrift darauf. Das Papier war von recht guter Qualität. Sie blickte auf und sah, wie der Botenjungen sie erwartungsvoll anschaute. »Ja?«, fragte sie, und schüttelte dann lächelnd den Kopf. »Natürlich. Einen Augenblick.« Sie zog die Börse hervor, aber fand kein Geldstück darin.
»Nein, nein«, sagte der Junge im gleichen Moment. »Ich soll nur auf Eure Antwort warten.«
Elidar lachte auf. Wie dumm, sie hätte den Boten doch einfach fragen können, wer ihn geschickt hatte.
»Es steht alles darin, soll ich sagen«, erwiderte der Junge. »Und ich soll auf Eure Antwort warten.«
»Dann setz dich irgendwo hin«, sagte Elidar. »Willst du etwas trinken?«
Der Junge verneinte und hockte sich auf eine Bank in der Nähe der Tür.
Elidar betrachtete unschlüssig den Brief. Es widerstrebte ihr, ihn in der Gaststube zu öffnen. »Warte hier«, befahl sie dem Jungen und ging hinauf auf ihr Zimmer.
»Elidar«, begann der Brief in der ihr unbekannten Handschrift. Sie warf einen Blick auf die Unterschrift, die aber nur »dein alter Freund« lautete. Also wandte sie sich wieder dem Anfang des Briefes zu und las: »Es ist geschehen, wie wir es befürchtet haben - mehr noch, das Schlimmste ist eingetreten. Wir sehen uns gezwungen, unseren Aufenthaltsort zu wechseln, und zwar so schnell wie möglich, um weiteres Unglück zu verhüten. Wir würden dich aber vorher gerne noch treffen, um zu erfahren, wie deine Pläne aussehen und uns zu verabschieden. Der Bote ist vertrauenswürdig, du kannst ihm zu unserem Treffpunkt folgen.«
Elidar ließ den Brief sinken und fuhr sich aufgewühlt über die Stirn. Das Schreiben musste von Sao-Tan stammen. Was war im Palatium geschehen? Lebte die Prinzessin noch? Sie blickte auf die Zeilen nieder. »Das Schlimmste ist eingetreten« – aber »wir sehen uns gezwungen«. Was auch immer ihrer Gönnerin zugestoßen sein mochte, Sao-Tan fürchtete offensichtlich um ihr Leben und wollte mit ihr fliehen. Er brauchte ihre Hilfe!
Elidar zerknüllte mit einem Fluch das Blatt und schleuderte es zu Boden. Dann besann sie sich, hob das Papierknäuel wieder auf und strich es glatt, bevor sie es sorgsam einsteckte. Sie stopfte hastig ihre Habseligkeiten in den Reisesack, warf ihn sich über die Schulter und verließ das Zimmer.
»Flavian«, rief
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