Elidar (German Edition)
du kennst Kayvan. Und du kennst die Drachen.«
Elidar nickte nachdenklich. Sie hatte die Tage erlebt, an denen die Kayvaner gegen die Drachen zogen. Dabei hatte es regelmäßig Feuer und Trümmer, Tote und Verletzte gegeben - aber nicht auf Seiten der Drachen.
»Und hier kommt auch Luca wieder ins Spiel«, fuhr Rui fort. »Er hat dem Alten Drachen natürlich unschätzbare Dienste erweisen können, weil er ihm die Garde, den Statthalter, Ledon und die Art und Weise, wie Menschen handeln und denken, hat erklären und deuten können. Du kannst dir vorstellen, mit welchem Namen sie ihn in Kayvan belegen?«
»Verräter«, sagte Elidar.
Rui nickte. »Er wurde fürstlich bezahlt. Das macht die Sache nicht ehrenhafter.«
Elidar seufzte. »Es ist nicht unehrenhaft, einem Herrn zu dienen, der gut bezahlt.«
»Aber es ist unehrenhaft, in den Diensten eines fremden Herren zu stehen, der dein eigenes Volk terrorisiert«, sagte Rui. Das klang allerdings eher anerkennend als missbilligend.
«Nun, das gilt wohl auch für den Statthalter und seine Garde.«
»Getroffen«, erwiderte Rui. »Wenn man es so sieht, hatte Luca nur den Dienstherren gewechselt - und Mukhar-Dag ist, streng genommen, ein Einheimischer. Kein Fremder. Nur eben kein Mensch.«
Elidar nickte, und beide schwiegen eine Weile.
»Du sagtest, Luca war in seinen Diensten?«, nahm sie schließlich den Faden wieder auf.
»Er hat quittiert oder Mukhar-Dag hat ihn entlassen. Ich weiß nicht, was stimmt. Die einen erzählen, Luca habe den Befehl bekommen, einen widerständigen Kaufmann samt seiner Familie zu exekutieren - als warnendes Beispiel - und er habe es verweigert, woraufhin Mukhar-Dag ihn rausgeworfen habe. Andere wiederum erzählen, Luca habe aus denselben Gründen von sich aus den Dienst gekündigt. Wie auch immer - er ist nun wieder frei in Kayvans Straßen unterwegs. Und muss aufpassen, dass er nicht hinterrücks gemeuchelt wird, wenn ihn jemand erkennt.«
»Warum geht er nicht fort?«, fragte sich Elidar laut.
Rui zuckte mit den Schultern. »Wohin sollte er gehen? Nach Ledon kann er sich nicht zurückwagen, der Kurator würde ihn sofort inhaftieren und exekutieren. Er gilt als Verräter. Bei Maurus ist er in Sicherheit, der ist zu fett und zu bequem, um etwas zu unternehmen.«
Elidar lachte laut auf. Bei aller Sorge um Luca - er war ein fähiger Soldat und würde sich schon zu schützen wissen.
»Danke für deinen Bericht«, sagte sie. »Wann reist du weiter?«
»Ich warte noch auf eine Lieferung Sternharz«, sagte er. »Morgen, vielleicht übermorgen.«
»Auf dem kurzen Weg?« Das hieß, ohne Umwege zurück nach Kayvan.
Er schüttelte den Kopf. »Ich will noch den Jahrmarkt in Skwa mitnehmen. Ich habe ohnehin Verspätung, also, was soll's?«
Elidar nickte langsam. Das war ein Schlenker, der Rui auf seinem Rückweg wieder an Cathreta vorbeiführen würde. Sie konnte also überlegen, ob sie noch hierblieb oder gleich mit ihm reiste.
»Nimmst du mich mit?«
Rui riss in gespieltem Entsetzen die Hände in die Luft. »Bewahre«, sagte er. »Ich werde mich doch nicht mit einem Magier des Spinnenordens belasten. Ihr bringt Unglück, wusstest du das nicht?«
Elidar gluckste. »Ich bin relegiert worden«, sagte sie vergnügt. »Also droht deiner Karawane keine Gefahr.«
»Relegiert? Was hast du angestellt?«
»Seiner Magnifizenz das Leben gerettet«, erwiderte Elidar gallig.
Ruis Mundwinkel zuckten. »Das ist immer schlecht«, sagte er. »Wie ich die Zauberer und ihren Ruf kenne, hättest du ihn besser um die Ecke gebracht. Dann wärst du mit Ehren überhäuft worden.«
»Das ist nicht von der Hand zu weisen«, murmelte Elidar. Rui ahnte nicht, wie dicht seine Worte an die Wahrheit herankamen.
Sie erhob sich mit einem Stöhnen. »Ich gehe und suche mir ein Badehaus. Kannst du mir eins empfehlen?«
Rui schnitt eine Grimasse. »Du als Yasemit wirst die ledonischen Einrichtungen unzulänglich finden. Aber das Badehaus in der Unteren Flussgasse ist einigermaßen erträglich.«
Elidar dachte über all das nach, was Rui ihr erzählt hatte, während sie zum Fluss hinunter ging. Sie würde bei ihrer Rückkehr ein anderes Kayvan vorfinden als sie verlassen hatte. Besser oder schlechter - wer konnte das schon sagen?
Und selbst Luca erschien ihr wie ein Geist aus der Vergangenheit. Sie hatte ihn als einen großen, freundlichen Mann im Gedächtnis, an dessen Gesicht sie sich kaum noch erinnern konnte. Zu kurz war die Zeit gewesen, in der sie ihn gekannt
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