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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Haut, sondern über Panzer und Horn. Sie spürte, wie starke Flügel sich spannten. Es gelüstete sie danach, das kleine Wesen zu zerreißen und davonzufliegen in den nächtlichen Himmel, um unter den Sternen zu tanzen.
    Wieder stöhnte Sao-Tan. Sein Name, der in ihrem Inneren erklang, riss sie aus ihren Drachengedanken. Mit einem Schrei löste sie ihren Griff und sah, wie Sao-Tan zu Boden sank.
    Elidar zwang sich in ihre menschliche Erscheinung zurück und kniete neben dem Bewusstlosen nieder. Ihre Drachenklauen hatten seinen Rücken aufgerissen, und er lag in einer Lache seines Blutes, die schnell größer wurde. Er atmete zwar noch, aber nur flach und unregelmäßig.
    Hastig griff sie ins Mondlicht und ließ es über seine Wunden fließen, um die Blutung zu stoppen. Dann tauchte sie in ihr Inneres. Sie hatte ihr erkaltetes Feuer noch nicht erprobt, aber sie durfte keine Zeit verlieren. Sie formte es trotz der damit verbundenen Schmerzen, und lenkte die Kraft in Sao-Tans verwundeten Leib.
    Elidar biss sich auf die Lippe, bis der salzige Geschmack von Blut ihren Mund füllte, und hielt die Spannung zwischen Kälte und Hitze, die sie schier zu zerreißen drohte.
    Endlich seufzte Sao-Tan tief und schlug die Augen auf. »Göttin, hilf mir«, murmelte er.
    »Ruhig«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ruhig. Alles wird gut.« Er sah sie an, aber sie konnte erkennen, dass er sie nicht wahrnahm.
    Lange wanderte der Mond über den Himmel, und die Sterne zogen ihre stummen Kreise. Erst als es zu dämmern begann, tat Sao-Tan einen langen Atemzug und schloss die Augen. Er schlief endlich.
    Elidar löste sich von seinem Körper und sank auf Hände und Knie. »Warum hast du mich nicht gelassen?«, dachte sie voller Bitterkeit.
    Worüber beklagst du dich?
    »Ich hatte dich um etwas gebeten.«
    Und ich habe dich gehört. Du bist undankbar, junge Königin.
    Elidar legte sich neben Sao-Tan und zog eine Decke über sie beide. Sie war zu erschöpft, um mehr tun zu können. »Undankbar?«, fragte sie. »Es war nur eine kleine Bitte. Du hättest sie mir gewähren können.«
    Das habe ich getan.
    Die Drachenpräsenz schwieg, und ihre Worte hallten in Elidars Innerem wider. Das habe ich getan …
    Sie schlief ein, zum ersten Mal seit über einem Equil, und ihre Träume waren wirr und quälend. Sie war kein Mensch mehr, sondern eine geflügelte Bestie, die Tod und Zerstörung über die Stadt brachte. In ihren Träumen sah sie alle sterben, die sie liebte: Morgenblüte und Valerian lagen in ihrem Blut, Luca und ihre Ziehmutter, an die sie schon so lange nicht mehr gedacht hatte, verbrannten zu kleinen Haufen Asche und Knochen, Bär wand sich in Zuckungen, während sie ihn zerfleischte, Sao-Tan starb mit ihrem Namen auf den Lippen …
    Mit einem Schrei fuhr sie hoch und wusste nicht, wer oder wo sie war. Eine große, warme Hand berührte ihr Gesicht, auf dem sich Schweiß und Tränen mischten. Die Sonne brannte erbarmungslos auf das ungeschützte Dach nieder, aber ein improvisiertes Sonnensegel behütete sie und den Mann an ihrer Seite.
    Sie richtete sich auf und schüttelte die Träume ab. Sao-Tan saß gegen die Brüstung gelehnt da. Er war etwas blasser als sonst, schien aber wohlauf zu sein. »Ich bin untröstlich«, sagte er. »Ich habe es nicht geschafft, dich zu wecken oder hinunter ins Haus zu tragen.«
    Sie kam auf die Knie und stieß mit dem Kopf gegen die Decke, die er als Sonnenschutz aufgespannt hatte. »Geht es dir gut?«, fragte sie. »Lass mich deinen Rücken sehen.«
    Er machte keine Anstalten, sich umzudrehen. »Meinem Rücken geht es gut.«
    »Ich sehe doch, dass du noch Schmerzen hast.«
    Er neigte den Kopf. »Es geht mir gut«, wiederholte er stoisch. »Die Göttin hat mich gezeichnet, aber sie hat mein Leben verschont. Ich bin dankbar.«
    »Du sollst nicht …«, schrie Elidar auf, dann atmete sie tief durch und schüttelte ihren benommenen Kopf. »Ich habe Angst«, sagte sie leise. »In einer von diesen Nächten werde ich dich töten. Es war nahe daran, Sao-Tan, so nah!«
    »Wenn mein Tod der Göttin gefällt, werde ich gehen«, erwiderte er. »Und du solltest stolz darauf sein, so wie ich es bin. Jeder von uns weiß, dass er eines Tages sein Leben für die Göttin geben muss. Das ist das erste, was ein Schwertmann lernt.«
    »Sao-Tan«, sagte sie hilflos. Er hob die Hände und zog sie in seine Arme.
    »Sei stolz, meine Herrin«, wiederholte er sanft. »Ich lebe, weil du mich verschont hast. Ich danke dir

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