Elidar (German Edition)
menschenleer. Kein Yasemit wagte es, um den alten Scha’Yassim Palast herumzulungern, und die Gardisten und Bediensteten des Statthalters hatten Besseres zu tun, als auf dem Pfad auf- und abzulaufen.
Auf der Rückseite des Serails, die zum alten Hafen zeigte, verschnaufte er. Er setzte sich ächzend auf einen großen Stein am Wegrand und streckte das müde, schmerzende Bein aus. Dann nahm er die Feldflasche vom Gürtel, trank einen Schluck Wein und wünschte sich gleichzeitig, es wäre Nakri, der yasemitische Gewürzschnaps. Der mit Wasser versetzte Wein war zwar erfrischend, aber Schnaps betäubte für einen Moment die Schmerzen und sorgte für einen angenehmen, sanften Nebel. Er seufzte und schraubte die Flasche wieder zu.
Leichte Schritte raschelten hinter ihm durch den Staub. Er kniff die Lippen zusammen und blickte starr auf den Weg.
Die Schritte wurden langsamer, verharrten. »Hallo«, sagte jemand zaghaft.
Luca blickte auf, zornige, abweisende Worte auf den Lippen, die erstarben, als er in Elidars Gesicht blickte. »Ach, du«, sagte er nur.
Das Mädchen nickte und hockte sich neben ihn auf die Fersen. Sie rührte sacht mit dem Handrücken an seine Krücke. »Geht es dir besser?«
Luca biss die Zähne zusammen. »Danke«, knurrte er. »Ich bin ein verdammter, nutzloser Krüppel, aber vielleicht behalten sie mich als Pferdeknecht.«
Als er ihr erschrockenes Gesicht sah, taten ihm seine Worte leid. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie unbeholfen. »Entschuldige«, sagte er. »Ich bin ein altes Ekel. Und ich wollte dich nicht anfauchen.«
Elidar nickte nur, aber der Schreck in ihren Augen wich nicht. Sie machte Anstalten, aufzustehen. »Ich gehe dann …«
»Bleib hier«, sagte Luca heftig. Er wischte sich übers Gesicht, bemerkte, dass er sich hätte rasieren müssen. Er hatte es vergessen. Er hatte es einfach vergessen.
»Ich werde wahrscheinlich die Garde verlassen müssen«, sagte er ruhiger. »Und ich weiß noch nicht, was ich dann machen soll. Du kannst nichts dazu, es ist ganz und gar meine eigene Schuld. Ich war nachlässig, und das habe ich bezahlt.«
Sie nickte unmerklich. Ihr nackter Zeh bohrte sich in den Staub. »Gehst du nach Ledon zurück, zu deiner Familie?« Es klang halb sehnsüchtig, halb traurig.
Luca schloss die Augen. »Ich habe keine Familie«, sagte er bitter. »Ich habe das immer nur erzählt, weil - egal. Nein, ich weiß nicht, was ich in Ledon machen soll. Keine Familie, kein Ort, wohin ich gehöre. Die Garde ist meine Familie.«
Sie seufzte. »Niemand? Auch keine Liebste, die auf dich wartet?«
Die unschuldige Frage tat unerwartet weh. Er atmete tief ein, um den Schmerz in sein Innerstes zu verbannen, und schüttelte den Kopf. »Niemand«, sagte er.
Ihre Hand berührte seinen Arm. »Wir können zusammen bleiben«, sagte sie. »Ich kenne mich gut aus. Weiß, wo man schlafen kann und wo es Essen gibt, das man sich nehmen kann.«
Luca legte den Kopf in den Nacken und lachte laut und böse. »Was für eine Karriere«, lachte er. »Erst unsterblich und dann ein Tagedieb und Lungerer!«
Er hörte auf zu lachen und strich Elidar unsanft über den Kopf. »Habe ich dich gekränkt? Du darfst mich schelten, ich hatte dir versprochen, dass ich mir etwas überlege für dich.« Er hob die Hände und zog die Kette mit der Jason-Medaille über den Kopf. »Hier«, sagte er. »Nimm. Du solltest nach Ledon gehen.« Er ließ die Kette los.
Sie fing die Medaille auf und starrte ihn an. »Nach Ledon?«
Er reckte sich und ächzte. Dann nahm er die Feldflasche, schüttelte sie prüfend, trank sie aus.
»Ledon«, sagte er. »Genauer gesagt: in die Hauptstadt. Cathreta ist schön, es wird dir dort gefallen.« Er deutete beiläufig auf die Medaille, die zwischen Elidars Fingern baumelte. »Das wirst du jemandem im Palatium des Kurators zeigen. Ich sage dir genau, nach wem du fragen musst. Sie wird dir weiterhelfen.«
Elidar drehte die Medaille zwischen den Fingern und betrachtete das Bildnis des gekrönten Hirsches. »Was ist das?«
»Der Gott der Ledonier, Jason.«
»Also euer Satt’ka? Warum sieht er aus wie ein Tier? Und warum hat er all diese Hörner auf dem Kopf?«
Luca erwog kurz, dem Mädchen die komplizierte Geschichte des Hirschgottes Jason und seines alljährlichen Todes während der Großen Jagd zu erzählen. Dann schüttelte er den Kopf. »Satt’ka hat vier Arme und eine Menge Augen. Das ist etwas Ähnliches.«
Elidar nickte. »Ich glaube nicht daran.«
Luca fragte
Weitere Kostenlose Bücher