Elidar (German Edition)
noch einen Moment Geduld?«
Der Dkhev lächelte, was seinem Reptiliengesicht einen unheilvollen Ausdruck verlieh. »Ich habe Zeit«, sagte er.
Luca zog das Mädchen beiseite. »Ich hatte so etwas befürchtet«, sagte er und drückte ihr einen zusammengefalteten und versiegelten Brief in die Hand. »Hier. Das gibst du der Domna Antela. Sie ist die Vorsteherin der Dienstboten im Palatium. Sie wird dir weiterhelfen.«
Elidar steckte den Brief sorgsam ein. »Was steht darin?«
»Ich bitte sie darum, dich unter ihre Fittiche zu nehmen. Sie wird dich schrecklich bemuttern. Ich hoffe, du hältst das aus.« Luca gab ihr einen Klaps auf die Schulter. »Ich muss jetzt gehen, Nkar-Dag wartet auf mich.«
»Kommst du morgen und winkst mir nach?« Elidar versuchte, gleichmütig zu klingen.
»Denkst du, ich lasse dich einfach so gehen? Ich verabschiede mich natürlich in aller Form von dir!«, sagte Luca streng.
Elidar lächelte schief. »Dann bis morgen. Lass dich nicht fressen.« Sie winkte und lief in den Hof des Serails zurück.
10
L uca hatte das Drachennest noch nie betreten und kannte auch niemanden, der es vor ihm getan hatte. Wenn sein Knie nach dem Fußmarsch nicht geschmerzt hätte, als steckten rostige Nägel darin, hätte er es genossen, mit Nkar-Dag durch das enge Tor zu treten, das das Dkhev-Viertel von den Stadtteilen der Menschen trennte.
Die Bewachung des Durchgangs wäre ihm beinahe nicht aufgefallen. Das Gässchen war düster, schmal und nicht allzu sauber, und in zwei zugemauerten Türöffnungen rechts und links lehnten schläfrig dreinblickende Dkhev-Männer, die Luca aber bei aller scheinbaren Lässigkeit scharf musterten. Einer von ihnen löste sich aus dem Schatten und trat ihnen in den Weg. »Wo willst du hin, Mensch?«
Nkar-Dag schob den jungen Dkhev beiseite. »Mach die Augen auf, Kesko-Dag. Der Mensch wurde eingeladen.«
Der gerügte Dkhev verbeugte sich hastig. »Ich habe dich nicht erkannt, großer Bruder. Vergib mir.«
Nkar-Dag nickte nur. »Geh weiter«, murmelte er. »Es wird dir nichts geschehen.«
Luca schnaubte. »Ich habe keine Angst«, erwiderte er.
Der Legat neigte den Kopf. »Gut.«
Luca sah sich neugierig um. Auf der Gasse war niemand unterwegs. Die Häuser, die sie passierten, schienen leer zu stehen, die meisten Fenster und Türen waren zugemauert.
»Wohnt hier niemand?«, fragte Luca.
Nkar-Dag sah ihn verwundert an. »Aber natürlich. Wir haben sehr wenig Platz hier im Nest für alle.«
Luca sah sich ungläubig um. »Aber - wo sind all die Leute?«
Nkar-Dag zeigte auf die wenig einladend wirkenden Häuser. »Dort. Und natürlich unten.« Er erläuterte nicht, was er damit meinte, und Luca fragte nicht weiter. Er war müde, sein Bein schmerzte und er hatte Durst.
»Wir sind bald da«, sagte Nkar-Dag , als hätte er Lucas Gedanken gelesen. »Dort drüben.« Er zeigte auf ein großes Haus am anderen Ende eines gepflasterten Platzes, dessen zweiflüglige Tür weit offen stand.
Sie überquerten den Platz und traten in den Eingang. Nkar-Dag betätigte den bronzenen Klopfer. Der Laut schallte durch die Eingangshalle und verklang in einem dumpfen Echo irgendwo in den düsteren Tiefen des Hauses. Die Luf in der Halle roch abgestanden und nach uraltem Staub. Luca lief eine Gänsehaut über den Rücken.
Nkar-Dag wartete, die Hände auf dem Rücken gefaltet. Luca lehnte sich auf seine Krücke und versuchte, das Bein zu entlasten.
Nichts bewegte sich. Die gesprungenen Steinfliesen des Bodens waren schmutzig, ein kalter Hauch wehte durch die Halle und ließ Luca frösteln. Draußen brach die Dämmerung an. Bald würde es ganz finster sein, und er stand hier mutterseelenallein im Drachennest, das bis auf die Wächter am Tor ausgestorben zu sein schien, auch wenn der Legat etwas anderes behauptete.
Luca musterte seinen Begleiter von der Seite. Nkar-Dag stand geduldig und reglos da, nur gelegentlich zuckte seine Zunge heraus, verharrte einen Moment zitternd und wurde wieder eingezogen.
»Nkar-Dag«, begann Luca schließlich, aber der Legat legte nur einen Finger an den Mund und schüttelte den Kopf.
Sie warteten weiter. Inzwischen war es beinah vollständig dunkel in der großen Halle. Luca verlor die Geduld. »Ich gehe«, sagte er zu dem Dkhev.
Ehe Nkar-Dag etwas erwidern konnte, erklangen Schritte, die aus dem Inneren des Hauses kamen. Sie näherten sich rasch, und mit ihnen das flackernde, freundliche Licht einer Fackel.
Ein stämmiger Echsenmann eilte herbei und nickte
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