Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
die sengende Glut und das reißende Wasser, die erstickende Erde, den fauchenden Sturmwind. Nichts breitete sich aus, schob die Kräfte hinaus aus ihrem Inneren, fegte durch den Kreis aus reiner Magie, legte sich über die Angreifenden, ließ alle Luft aus dem Raum entweichen, drückte die Magier zu Boden, nahm ihnen die Luft zum Atmen, krümmte ihre Knochen und verdrehte ihre Körper, vertrieb die Lebensfunken aus ihrem Inneren, nahm ihnen alle Kraft und jede Form der Magie und quetschte sie zu kleinen, zuckenden Gebilden zusammen, die darum flehten, sterben zu dürfen …
    »Elidar«, hörte sie eine ersterbende Stimme stöhnen. »Um der Dunklen Nigh Willen - halt ein!«
    Sie wollte nicht. Es gelüstete sie, diese winzigen, lächerlichen Existenzen zu vernichten und danach das Nichts weiter hinaus zu schicken, das Haus und die Stadt damit zu bedecken, Ledon, das Imperium, die Länder hinauf bis zum Steinernen Wall und hinunter bis zum Ozean … Alle würden sterben, Menschen, Tiere und Pflanzen, denn wo Nichts war, konnte nichts leben. Alle außer ihr würden sterben, nur Drachen konnten im Nichts existieren.
    Die Tochter des Drachen breitete auf dem Höhepunkt der Ekstase die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und rief das Nichts zurück. Und es gehorchte ihrem Ruf, zog sich zusammen, ließ sich von ihr aufnehmen wie ein folgsames Hündchen und zurückbringen unter das Feuer, das in ihrem Inneren brannte und das Nichts vor der Welt beschützte - oder beschützte es die Welt vor dem Nichts?
    Elidar sank in die Knie und barg das Gesicht in den Händen, bis auf die Knochen erschöpft. Die Magier lagen wie vom Unwetter niedergemähte Weizenhalme auf dem Boden und regten kein Glied mehr. Elidar konnte nicht erkennen, ob sie noch atmeten oder ob sie tot waren. Sie lauschte der Stille in ihrem Inneren und suchte nach der Quelle der Macht, die sie eben noch so gewaltig aus sich hatte herausbrechen fühlen. Aber sie fand nur das schwach glimmende Feuer, das ihr ständiger Begleiter war. Sie konnte sich nicht erklären, was mit ihr geschehen war, und sie wusste nicht, ob sie jemals in der Lage sein würde, das zu wiederholen - ob sie das überhaupt wollte. Zu gewaltig war die Kraft gewesen, zu groß und übermächtig die dunkle Versuchung, die vollkommene Zerstörung zu genießen.
    Ein Keuchen und eine Bewegung in ihrer Nähe ließen sie die Augen öffnen und den Kopf heben. Zu erschöpft, um Erleichterung zu verspüren, beobachtete sie, wie zwei der zusammengesunkenen Magier sich regten. Nicodemus Bär war der erste, der seinen Kopf hob und mit einem Knurren auf die Knie kam. Er half dem neben ihm liegenden Novizenmeister, sich aufzusetzen und hinkte dann zu Casarius Sturm hinüber, der noch in tiefer Ohnmacht lag.
    Elidar vernahm den schwachen Hilferuf, den der Novizenmeister aussandte, in ihrem Inneren.
    Es dauerte keine drei Atemzüge, bis der Cubicular, gefolgt von drei jüngeren Magistern, hineinstürmte. Elidar sah die grenzenlose Überraschung in seinem Gesicht, aber er fasste sich schnell und gab den jüngeren Magistern hastige Anweisungen. Jeder von ihnen eilte zu einem der Magier und kniete neben ihm nieder. Da verließen Elidar die Kräfte, sie sank zu Boden und wurde von Dunkelheit empfangen.

19
    D ie sonst im Frühherbst begangene feierliche Einkleidungszeremonie der neuen Magister konnte erst zum Einbruch des Winters stattfinden. Casarius Sturm war nach dem Vorfall bei Elidars Prüfung in schlechter Verfassung.
    Valon berichtete ihr, dass das Ordenshaus vor Gerüchten summte wie ein aufgescheuchter Bienenstock. Vorbei war es mit der beschaulichen Stille und der Geruhsamkeit, die sonst im Haus herrschte; selbst den gelassensten, erfahrensten und abgeklärtesten unter den älteren Magiern gelang es nicht, vollkommen unberührt zu bleiben, geschweige denn, ihre Mitbrüder zur Ordnung zu rufen.
    Valon ging es nicht anders als allen anderen Magiern und Novizen des Ordens: Er platzte schier vor Neugier zu erfahren, was bei Elidars Prüfung wirklich vorgefallen war. Aber Elidar konnte und wollte nicht mit ihm darüber sprechen, sie konnte das Geschehene selbst nicht erklären und einordnen und war durch das Erlebnis bis in die Tiefen von Körper und Geist erschüttert worden.
    Eusebian, der Cubicular, hatte sich in der Nacht um sie gekümmert, als sie in ihrer Kammer aus der Bewusstlosigkeit erwacht war. Er war es auch, der ihr berichtete, dass keiner der Prüfer durch ihren Ausbruch getötet worden war.

Weitere Kostenlose Bücher