Elidar (German Edition)
erklärte er. »Anscheinend hat seine Magnifizenz den Vorfall bei unserer Prüfung nicht gut überstanden.« Er vermied es, Elidar anzusehen.
Sie seufzte. »Er wird mich hinauswerfen«, sprach sie ihre geheimsten Befürchtungen aus. »Das kann er nicht einfach so übergehen. Bär bringt es nicht übers Herz, mir das zu sagen. Deshalb schieben sie die Einkleidung auf, Valon. Sie werden mich feierlich hinauswerfen und dann werdet ihr drei anerkannt.« Sie seufzte wieder.
»Rede nicht so einen Unsinn«, erwiderte Valon, aber es klang nicht sonderlich überzeugt. »Was willst du?«, fuhr er im gleichen Atemzug einen Novizen an, der sich ihnen schüchtern genähert hatte.
»Sei nett«, mahnte Elidar leise.
Der Novize, ein magerer Junge mit großen roten Ohren, gab sich alle Mühe, sie nicht ungebührlich anzustarren. »Seine Magnifizenz«, stieß er atemlos hervor, ganz überwältigt davon, dass der oberste Magier des Ordens ihn wahrgenommen und dann auch noch mit einer so wichtigen Aufgabe betraut hatte. »Seine, seine, seine Magnifizenz …« Valon verdrehte die Augen.
»Ganz ruhig«, sagte Elidar. »Atme erst einmal tief durch. Hat Bär euch das nicht beigebracht? Immer erst ein- und ausatmen, ehe man sich in einen Zauber stürzt.« Sie lächelte dem Jungen zu, dessen Ohren bei ihren Worten noch roter wurden.
»Seine Magnifizenz schickt mich«, sagte er. »Er bittet, bittet euch … bittet euch …«
»Bittet, bittet, bittet uns …?«, rief Valon ungeduldig. »Könntest du damit aufhören, seiner Magnifizenz und uns die Zeit zu stehlen?«
Der Novize verstummte gänzlich und leckte sich über die Lippen. Dann flüsterte er: »Ich soll euch zu seiner Magnifizenz bringen, bitte.«
Elidar und Valon sahen sich verblüfft an. »Dann mal los«, sagte Elidar nach einer kleinen Pause, in der ihr Herz einen kurzen Ausflug in ihre Kehle unternommen hatte.
Sie folgten dem Novizen und seinen leuchtenden Ohren ins Haupthaus und die Treppe hinauf. Er führte sie zu den Räumen seiner Magnifizenz und klopfte dort mit vor Wichtigkeit geblähter Brust an.
Sie hörten keine Antwort, aber die Tür schwang auf. »Danke, Rufus«, flüsterte es in ihre Ohren. »Elidar, Valon, tretet ein.«
Das Zimmer lag im Dunkeln, die dichten Vorhänge waren vorgezogen und nur das Kaminfeuer spendete ein wenig Licht. Niemand saß hinter dem Schreibtisch oder im Lehnsessel neben dem Kamin.
Valon schaute sich unschlüssig um, und Elidar machte zwei Schritte ins Zimmer hinein. »Eure Magnifizenz?«, sagte sie halblaut.
Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich - diesen Raum hatte noch keiner von ihnen jemals betreten. Auch dort war es dunkel, aber als sie eintraten, glomm ein Licht auf und erhellte den hinteren Teil des Zimmers.
Sie fanden sich in einem kleinen Raum, der nicht viel mehr Mobiliar enthielt als Elidars Zimmerchen: ein schmales Bett, einen Lehnstuhl, zwei Hocker und einen kleinen Tisch. Im Lehnstuhl, in einen voluminösen Hausmantel gehüllt, saß Casarius Sturm und trank Tee aus einem Becher.
»Kommt herein«, sagte er. »Setzt euch.« Er wies auf die beiden Hocker. Elidar und Valon ließen sich darauf nieder, und die junge Frau musterte Sturm beklommen. Bär hatte angedeutet, dass seine Magnifizenz sich in keiner guten Verfassung befand, und sein Anblick ließ dies noch als wohlwollende Beschönigung dastehen. Hätte man Elidar gebeten, jemanden zu beschreiben, der auf dem Totenbett seinem Ende entgegen sieht, dann hätte sie wohl das Erscheinungsbild des obersten Spinnenmagus heraufbeschworen.
Elidar unterdrückte ein hoffnungsloses Seufzen. Was auch immer der Grund sein mochte, dass Sturm sie beide trotz seiner schlechten Verfassung zu sich gebeten hatte - am Ende konnte eigentlich nur ihr Hinauswurf stehen.
»So«, sagte Sturm und stellte den Becher ab. »Da seid ihr also. Alle beide.« Er rieb sich mit einer erschöpften Geste über die Augen. »Der dumme Junge sollte euch eigentlich nacheinander zu mir bringen. Nun ja. Da seid ihr jetzt. Valon, mit dir rede ich gleich.« Er bewegte nur die Spitze seines Zeigefingers, und Valon erstarrte.
Elidar riss die Augen auf. Ihr Freund war buchstäblich erstarrt - die Falten seines Habits, die er gerade hatte glätten wollen, ebenso wie seine stoppeligen Haare, die Wimpern seiner Augen, die leicht geblähten Nasenflügel, der in der Bewegung seiner Hand seltsam abgespreizte kleine Finger - starr wie eine steinerne Statue hockte er da, atmete nicht, regte sich nicht. Und Sturm
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