Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
wieder ruhiger ging, bückte er sich zu dem regungslosen Körper hinab. In der rechten Gesäßtasche des Chemikers steckte eine Brieftasche. Olavi angelte sie heraus und öffnete sie. Sie war voller Geldscheine.
»Jetzt bist du für all deinen Schnaps bezahlt worden«, murmelte er. »Und dies ist die Rückerstattung.«
Er riss einen der Kanister aus dem Regal und schraubte den Verschluss auf. Die Hälfte des Inhalts goss er über den Körper und zog dann mit der Flüssigkeit eine Spur bis zur Tür. Er warf den Kanister ins Haus, holte sein Feuerzeug hervor und bückte sich.
Als er zur Straße zurückging, hörte er das knisternde Geräusch der Flammen.
19
Oskar Kärnlund fuhr sich mit der Hand über seine Glatze.
»Nicht allen wird es gefallen, was ich jetzt sage. Aber die Kriminalabteilung der Provinz wird umstrukturiert. Der Vorschlag kommt von mir. Und der Polizeipräsident ist mit mir einer Meinung.«
Alle am Tisch sahen ihn an. Die Teilnehmer der Morgenbesprechung, es war Montag, der 26. August, und es war zwei Minuten nach acht, wurden bei Oskar Kärnlunds Worten hellwach.
»Wir werden ein besonderes Mordkommando einrichten. Es ist an der Zeit, dass wir uns spezialisieren. Dafür habe ich mehrere Monate geackert. Der Mord von gestern ist entscheidend für diesen Beschluss.«
Elina saß ganz hinten im Raum. Sie war die einzige Frau. Zwischen ihr und Kärnlund saßen vierzehn Kollegen der Kripo von Västerås. John Rosén saß neben ihr. Vor ihm lag ein Bericht über die Vernehmungen in Göteborg und Jönköping. Aber keiner von beiden hatte von einem weiteren Mord gehört. Oder von der kleinen Bombe, die Kärnlund jetzt platzen ließ.
Ein Mordkommando?, dachte Elina und warf John einen Blick zu. Sie sah, dass er genauso erstaunt war.
Nehmt uns den Fall bitte nicht weg, flehte sie im Stillen.
Ihr Blick wanderte um den ovalen Tisch herum. Kärnlund am nächsten saß Egon Jönsson. Mit ihm sprach sie nie, wenn es nicht unbedingt nötig war. Der Konflikt, der bei der Brandstiftung in Surahammar im vergangenen Jahr zwischen ihnen entstanden war, war nicht gelöst, sondern nur auf Eis gelegt. Er behandelte sie wie Luft. Eiskalte Luft. Elina war das egal. Aber sie wusste, dass Jönsson sich für Kärnlunds Kronprinz hielt, für seinen Nachfolger, wenn Kärnlund in einem guten Jahr pensioniert würde. Für Elina war es das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte.
»Das Mordkommando wird so etwas wie eine regionale Variante der Reichsmordkommission«, sagte Kärnlund. »Es wird alle Mordfälle in der Provinz übernehmen. Zum Glück haben wir nicht mehr als drei, vier Fälle im Jahr. Aber es gibt eine Tendenz im ganzen Land, dass immer mehr Fälle ungelöst bleiben.«
Er wühlte in seinen Papieren und zog ein DIN-A4-Blatt heraus.
»Im Jahr 2000 wurden nur achtundfünfzig Prozent aller Mordfälle gelöst, Totschlag und Körperverletzung mit Todesfolge. Das heißt im Klartext, dass über siebzig Gewalttäter nicht dingfest gemacht werden konnten.«
Er sah einen nach dem anderen der um den Tisch Versammelten an und gab so ein Zeichen, dass er keinen Widerspruch duldete.
»In unserem Ort laufen Mörder frei herum. Ich habe meine eigene Meinung, weshalb das so ist. Bei komplizierten Ermittlungen tut sich die Polizei schwer. Das darf nicht passieren. Im Gegenteil, wir müssen besser werden. Und das soll durch die Spezialisierung geschehen. Ich will ganz einfach, dass einige von uns Experten im Lösen von Mordfällen werden.«
Er verstummte und schaute in die Runde. Ein Windhauch zog durchs offene Fenster herein. Keiner der Versammelten wollte sich die Chance entgehen lassen.
»Ich weiß, was ihr denkt«, sagte Kärnlund. »Es ist nicht leicht gewesen, unter euch zu wählen. Aber mir blieb nichts anderes übrig, als es zu tun. Vier Männer werden zu dem Kommando gehören.«
Vier Männer, dachte Elina. Nein.
Oskar Kärnlund schien eine Kunstpause einzulegen.
»John Rosén wird die Gruppe leiten.«
Er machte erneut eine Pause, aber mehr, um nachzudenken.
»Lasst sie uns Sonderkommission statt Mordkommando nennen. Kommando klingt zu militärisch und außerdem könnten sich die Medien über uns lustig machen. Stellt euch all die hämischen Schlagzeilen vor, wenn dieses Mordkommando versagt: ›Lockere Schüsse beim Mordkommando‹. Das klingt fast so, als würden wir Mörder losschicken, statt sie zu fangen.«
»Ja, ja«, unterbrach ihn Egon Jönsson und klopfte mit seinem Stift auf den Tisch. »Nun mal
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