Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
aller Dokumente zu machen. Ich bedauere, dass wir sie nicht ins Schwedische übersetzen konnten.«
»Das ist nicht nötig«, beeilte sich Elina zu sagen. »Das können wir in Schweden machen. Wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.«
Immer dankbar, dachte Elina.
Die Frau mit der grünen Brille trat ein, nahm die Mappe und verschwand wortlos. Fünf Minuten später kehrte sie mit einem Stapel Papier zurück. Inspektor Lacis nahm die Kopien entgegen und reichte sie an Elina weiter.
»Ich weiß nicht, was wir sonst noch für Sie tun könnten«, meinte er, »aber ich will Sie zumindest noch meinem Chef, Kommissar Bek, vorstellen. Er hat sein Büro im ersten Stock.«
Elina folgte Inspektor Lacis die Treppe hinauf und dachte angestrengt darüber nach, was sie noch fragen könnte. Ein paar Namen von Schleusern waren eindeutig zu wenig.
Ein weiterer Handkuss. Elina begann an dieser Geste Gefallen zu finden.
»Ich bin Kommissar Valdis Bek«, stellte sich der Chef vor. »Es ist mir eine Ehre, Sie in Ventspils willkommen zu heißen. Ich hoffe, Inspektor Lacis war zuvorkommend.«
»Natürlich, außerordentlich hilfsbereit«, sagte Elina.
Kommissar Bek bot ihr einen Stuhl an. Teetassen und Plätzchen mit Füllung standen bereits auf dem Tisch.
»Was führt Sie hierher nach Ventspils?«, fragte Kommissar Bek.
»Ich suche nach einer Antwort auf die Frage, warum eine Person namens Sayed Al-Sharif verschwunden ist«, erwiderte Elina. »Eventuell ist er auf dem Weg nach Schweden durch Lettland gekommen. Ich habe Grund zur Annahme, dass er sich in Ventspils eingeschifft hat, möglicherweise im Winter 2001.«
»Und, haben wir Ihnen behilflich sein können?«
»Leider liegen uns keine Informationen über den Verschwundenen vor«, mischte sich Normunds Kalmanis ein.
»Wir haben Inspektorin Wiik nur die Namen von drei aktenkundigen Schleusern geben können«, sagte Inspektor Lacis.
»Dieser Verschwundene«, meinte Kommissar Bek. »Sein Name klingt arabisch.«
»Er ist Palästinenser«, sagte Elina.
Kommissar Bek trommelte mit den Fingern auf die Armlehne seines Stuhls.
»Also ein Araber. Schiff von Ventspils. Hm.«
Er dachte nach. Elina wartete ab.
»Das erinnert mich an etwas«, sagte er nach einer Weile. »Vermutlich hat das nichts damit zu tun. Aber trotzdem.«
Er erhob sich.
»Wir fahren ein wenig spazieren«, sagte er.
Elina kam sich vor wie die Leiterin einer kleineren Delegation. Zwei Dienstwagen, Kommissar Bek, Kommissar Kalmanis, Inspektor Lacis, Fahrer Raimonds und sie, eine schwedische Kriminalinspektorin auf einer Goodwillreise bei den benachbarten Polizeibehörden an der Ostsee. Verkünderin der Tugend der Dankbarkeit sowie Lettlandtouristin auf Kosten der schwedischen Steuerzahler. Sie fuhren über die Brücke Richtung Riga, dieselbe Strecke, die sie gekommen waren, dann bogen sie in ein Wohnviertel ein.
»Hier wohne ich«, sagte Valdis Bek und deutete auf ein Haus. »Aber wir sind nicht deswegen hier. Wir wollen bei einer meiner Nachbarinnen vorbeischauen.«
Valdis Bek führte die Gruppe an, es ging eine Treppe hinauf. Er klingelte. Eine Frau öffnete.
»Sveiks, Valdis!«, sagte sie und trocknete sich die Hände an einer Schürze ab. Valdis Bek erwiderte: »Sveika. « Weitere Worte wurden gewechselt, die niemand für Elina übersetzte. Die Frau verschwand in der Wohnung, und Valdis Bek gab den anderen ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie nahmen auf einem Sofa im Wohnzimmer Platz. Die Frau ging in ein anderes Zimmer und kam mit einem Buch in der Hand zurück. Sie reichte es Bek, der eine Weile darin blätterte.
»Ihr Sohn hat dieses Buch auf einem Boot gefunden«, sagte er. »Ein arabisches Buch. Ich vermute, dass es sich um den Koran handelt. Außerdem lag das hier in dem Buch.«
Er hielt einen Zettel in die Luft. Vier Zeilen, geschrieben mit schnörkeligen arabischen Lettern.
»Das ist zwar nichts Besonderes, aber ich dachte, es könnte vielleicht etwas mit Ihrem verschwundenen Araber zu tun haben.«
Elina beugte sich vor und betrachtete die Schrift auf dem Zettel. Genau so stellte sie sich arabische Buchstaben vor.
»Was wissen Sie über das Boot?«, fragte sie.
»Nichts«, antwortete Valdis Bek. Er sah die Frau mit der Schürze an und stellte noch eine Frage auf Lettisch. Sie schüttelte den Kopf und erwiderte dann ein paar Worte.
»Sie weiß auch nichts. Wir müssen warten, bis ihr Sohn nach Hause kommt.« Er schaute auf die Uhr. »Er müsste bald da sein. Die Schule ist aus.«
Elina nahm
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