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Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Titel: Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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tätschelte dem Jungen den Kopf. »Dürfen wir das Buch behalten?« Janis erwiderte ein verzagtes Ja. Valdis Bek reichte es Elina. »Nehmen Sie das mit nach Schweden.« Elina sah Janis fragend an. »Janis sagt, das sei okay«, meinte Bek. Elina zog zwei Scheine aus der Tasche und reichte sie Janis. Zwei Zehn-Lats-Scheine. Sie hatte keine genaue Vorstellung, wie viel zwanzig Lats in schwedischen Kronen waren. Janis nahm das Geld entgegen. Er war sprachlos.
    Er hatte Recht gehabt. Er hatte wirklich einen Schatz gefunden.

18. KAPITEL
    Das Faxpapier ringelte sich langsam aus der Maschine. Alle starrten es an. Das wäre wirklich zu viel verlangt, dachte Elina. Eine Nachricht aus dem Totenreich.
    Der Text war auf Lettisch. Kommissar Bek riss das Papier ab und legte es auf den Schreibtisch. Mit einem Stift schrieb er die Sätze auf Englisch daneben und gab das Blatt dann an Elina.
     
    Eine Blume,
    von Gott gepflückt,
    ehe sie noch geblüht hat.
    SAYED AL-SHARIF
     
    Die Worte verschwammen vor Elinas Augen und vollführten Saltos in ihrem Kopf. Sie durchdrangen sie ganz und lähmten sie.
    Die anderen beugten sich über das Fax.
    »Das ist er doch, nicht wahr?«, meinte Kommissar Kalmanis an Elina gewandt.
    »Ja«, antwortete sie. »Das ist er.«
    »Was soll das andere bedeuten? Blume? Gott?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ein Gedicht.«
    Elina versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Wer konnte mehr über diese Sache wissen, wen konnte sie fragen?
    »Kommissar Bek«, sagte sie dann. »Dieses Fischerboot, die Mistral. Weiß man, wer der Besitzer ist oder wer die Besatzung war? Sayed muss an Bord dieses Bootes gewesen sein, also muss jemand wissen, was ihm zugestoßen ist.«
    Valdis Bek antwortete nicht, sondern trat an den Schreibtisch und griff zum Telefon. Weitere lettische Worte. Es klang, als versuche er jemanden von etwas zu überzeugen. Seufzend legte er auf.
    »Der Hafenmeister geht seine Schiffslisten durch. Vielleicht findet sich dort etwas. Sie waren etwas unwillig und haben gesagt, die Akten von 2001 seien bereits archiviert. Riesenproblem, haben sie gesagt, aber das sagen sie immer. Aber so schwer kann es nicht sein. Etwas Gerenne. Seht zu, dass ihr bis morgen Vormittag fertig seid, habe ich zu ihnen gesagt.«
    Elina war ausgesprochen guter Dinge. Sie hatte Glück gehabt. Sayed hatte aus dem Jenseits von sich hören lassen.
     
    Sie entschied sich dafür, in Ventspils zu übernachten, obwohl sich ihr Gepäck in Riga befand. Kommissar Kalmanis und Raimonds waren in die Hauptstadt zurückgefahren. Raimonds wollte Elina am nächsten Tag, wenn alles erledigt war, abholen. Am Abend ging sie in ein Restaurant. Sie bestellte etwas, was als lettische Spezialität angepriesen wurde. Es handelte sich um frittierte Schweineohren und -schwänze. Sie fand den Geschmack nicht einmal so unangenehm, aber die Konsistenz war zäh und erinnerte an salzigen Kaugummi mit Grillsaucenaroma.
    Das Essen kostete zwei Lats. Im Fenster einer Wechselstube konstatierte sie, dass das zweiunddreißig Kronen entsprach. Die zwanzig Lats, die sie Janis für das Buch gegeben hatte, würde sie kaum als Spesen geltend machen können, insbesondere weil sie keine Quittung hatte.
    In der abendlichen Dunkelheit spazierte sie durch die Stadt. Die Straßen waren fast menschenleer. Die Umrisse einer Frau tauchten in einem erleuchteten Fenster auf. Sie fragte sich, womit die Bewohner von Ventspils ihre Freizeit verbrachten. Sie kochten, schauten fern, halfen ihren Kindern bei den Hausaufgaben, machten sich Sorgen über die Zukunft, stritten sich und hatten gelegentlich Sex. Die Leute waren überall gleich. Nur mehr oder weniger einsam. Sie dachte an Sayed. Wer war er? Was hatte er gedacht, als er seine Familie verlassen hatte? Wie hatte er sich seine Zukunft vorgestellt? Wie hatte er ausgesehen? Ein schlaksiger Mann mit erwartungsvollem und gleichzeitig unsicherem Blick? Ein junger Mensch mit denselben Träumen wie sie? Was war aus seinen Träumen geworden?
    Sie versuchte logisch zu denken und zu analysieren. Er musste sich an Bord des Fischerbootes befunden haben. Das Boot war in den Hafen zurückgekehrt. Aber Sayed war verschwunden, und das seit fast drei Jahren. Er musste tot sein. War er auf dem Meer umgekommen? Oder hatte man ihn auf der schwedischen Seite an Land gesetzt? Und war er der einzige Flüchtling an Bord gewesen?
    Elina konnte sich nicht vorstellen, dass er allein gewesen war. Schleuser transportierten Flüchtlinge immer in Gruppen. Wo waren

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