Elizabeth - Tochter der Rosen
Haube und einem Schleier bedeckten. Mir stockte der Atem, als ich meine Mutter erstmals seit den Unruhen von 1487 wiedersah. Sie wirkte eingefallen und gebrechlich, zumal sie nun an einem Stock ging.
»Mutter«, flüsterte ich heiser und umarmte sie.
»Tochter ... Königin«, murmelte sie. »Ich grüße dich.«
Mir pochte das Herz viel zu sehr, und ich musste den Kopf senken, bis ich mich wieder gefasst hatte. Francois de Luxembourg nahm ich kaum wahr; ich hörte gar nicht recht, was er sagte, während er seine Kappe ausladend schwenkte. All das war unbedeutend gemessen an dem, was mir auf dem Herzen lastete.
Ich hatte gehofft, einige ungestörte Minuten mit meiner Mutter gewährt zu bekommen, doch die Beaufort wich während der gesamten Audienz nicht von meiner Seite. Viel zu bald schon musste ich meiner Mutter Lebewohl sagen. Ich umarmte sie inniglich, und als ich sie wieder losließ, bemerkte ich, dass Tränen in ihren Wimpern schimmerten. Unglücklich blickte ich ihr nach, wie sie mithilfe ihres schlichten Holzstocks aus dem Zimmer ging, und war mir auf schreckliche Weise inne, dass es wohl das letzte Mal war, dass ich sie sah. Nun würde sie in die Abtei zurückkehren, wo sie eingesperrt bliebe, während ich hier gefangen war.
Kummer und Leere überwältigten mich, als ich an jenem Abend allein im Bett lag und den Mönchsgesängen wie den Kirchenglocken lauschte, die jede Stunde zählten. Könnten wir einen einzigen Fehler der Vergangenheit berichtigen, welcher wäre es?, fragte ich mich. Die Antwort hatte ich sofort: Wäre Mutter nicht ins Kloster gegangen, sondern hätte ihren Frieden mit Richard gemacht, wie es Papa wünschte, wäre heute alles anders. Nicht, dass ich schuldlos war. Wäre ich aus Sheriff Hutton geflohen, wäre auch alles anders.Aber die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, und ein Meer von Tränen würde nichts von dem fortspülen, was das Schicksal uns bestimmt hatte. Zurückzublicken half nichts. Wir mussten vorausschauen.
Wenige Tage vor dem sechsundzwanzigsten November 1489wurde Arthur von Ludlow nach Sheen gebracht, wo er zum Ritter des Bath-Ordens und zum Prince of Wales geschlagen werden sollte. Henry und Arthur überquerten in ihren jeweils eigenen Booten die Themse zu einem auserlesenen Empfang in London.
»Bei den öffentlichen Banketten und Zeremonien hat er seinen Vater bedient, sein Handtuch gehalten und ihm die Teller gereicht«, erzählte mir Margaret Beaufort. »Das hat er sehr gut gemacht.«
Wie müde mein kleiner Junge aussah, als er nun in seiner steifen Festrobe und mit der Straußenfeder an der Kappe neben seinem Vater in der Tür stand! Er war zu wohlerzogen, als dass er zappeln oder sich hinter seinen Vater ducken würde. Stattdessen stand er nur da und wartete auf meine Einladung hereinzukommen. Ich hingegen konnte meine Begeisterung nicht zügeln, setzte mich im Bett auf und öffnete den Mund, um ihn willkommen zu heißen. Doch meine Freude war so übergroß, dass sie mir die Stimme verschlug, und so streckte ich ihm stumm meine Hände entgegen.
Arthur kam zu mir gelaufen, sprang auf mein Bett und rief: »Mama, Mama!«
Ich drückte ihn an mich, erstickte meine Schluchzer und bedeckte sein wundervolles Gesicht mit Küssen. Ja, ich hatte schon viele Verluste erlebt, aber es gab so viel Hoffnung für die Zukunft!
»Mama, ich werde ein Ritter!«, rief Arthur, als ich ihn endlich wieder freigab.
»Mein Süßer, ich bin gewiss, dass du ein strahlender Ritter wirst. Ein Ritter mit einem reinen, aufrichtigen Herzen ...« Ein Krampf in meinem Bauch brachte mich zum Aufschreien.
Arthur kletterte geschwind vom Bett. »Vergib mir bitte, Mama. Ich wollte dir nicht wehtun.«
Ich rang mir ein Lächeln ab, obwohl ich Schmerzen hatte.
Meine Wehen begannen am selben Abend, und am nächsten Morgen brachte ich eine Tochter zur Welt. Benommen schaute ich das Kind an und nahm gar nicht recht wahr, was Margaret Beaufort sagte. »Es ist ein Mädchen. Sie wird nach mir benannt, und ich werde ihre Patin.«
Mir fiel der hässliche Streit ein, den sie um Arthur entfacht hatte. Nun war meine Mutter in der Abtei gefangen und durfte nicht einmal der Taufe ihres Enkelkindes beiwohnen.
Ich ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken. Plötzlich war ich so erschöpft, dass mir die Augen zufielen und ich einschlief. Als ich wieder aufwachte, war es dunkel, und im Kerzenschein sah ich Henry neben meinem Bett sitzen.
»Arthur?«, fragte ich ängstlich und stützte mich auf
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