Elke, der Schlingel
um sich und ihr
Kind zu ernähren. Die Kriegsrente war ja nicht groß.
Katje war kleiner als Elke und hatte
große, dunkle Augen und dunkelbraunes Haar, das sie in zwei dicken Zöpfen trug,
die ihr meistens vorn über die Schultern hingen. Katje galt als die Klügste in
der Klasse und konnte immer alles gleich gut, Französisch ebenso wie Rechnen
oder Aufsatz. Sie las auch sehr viel.
Elkes Eltern sahen den Verkehr ihres
Kindes mit Katje Reimers gern. Katje war so ruhig und sinnig und bedächtig bei
allem, was sie tat und sagte, und sie fanden, es könnte Elke nichts schaden,
wenn sie ein bißchen von dieser Bedächtigkeit annähme. Die eigene Tochter war
ihnen oft gar zu unternehmungslustig und quecksilbrig.
Aber so verschieden die beiden
Freundinnen in mancher Beziehung auch waren, sie verstanden sich glänzend und
hatten einander sehr lieb.
Ferien sind ganz gewiß etwas Schönes,
aber da Elke fast in allen Ferien verreiste, waren sie beide doch jedesmal
froh, wenn die Schule wieder anfing und sie wieder täglich zusammen sein
konnten.
Schon in der Grundschule, die sie
gemeinsam besucht hatten, war es immer Elkes Traum gewesen, Katje einmal für
mehrere Tage zu besuchen, aber niemals hatte sich die Gelegenheit dafür
gefunden. Nun hatte es in der Schule den herrlichen Rohrbruch gegeben, der ganz
außer der Reihe drei Ferientage beschert hatte!
War das ein Glück!
Die beiden Freundinnen waren von der Schule
aus gleich zu Katjes Mutter gelaufen — ja richtig gelaufen, denn Elke war in
ihrer Freude viel zu aufgeregt, um ruhig gehen zu können —, und Frau Reimers
hatte gesagt, Elke dürfe gern kommen. Es passe sogar gut, denn sie sei
Donnerstag, Freitag und Sonnabend zu Hause, weil sie nirgends zum Nähen
gebraucht werde.
Danach war es nun die Frage gewesen,
ob Elkes Mutter den Besuch bei Katje erlauben würde, und mit klopfendem Herzen
waren die Kinder dann zu ihr gelaufen.
Frau Tadsen hatte bereits alles gewußt,
was sich inzwischen zugetragen hatte. Sie hatte gewußt von dem Brief, den die
gelähmte Dame geschrieben hatte, hatte gewußt von dem Wandtafelbild und auch
von dem Rohrbruch. Der Direktor hatte in seiner Freude über Elkes umsichtiges
Verhalten bei dem Unglücksfall bei der Mutter angerufen und ihr alles erzählt.
Und dann hatten die Freundinnen vor Frau Tadsen gestanden und gemeinsam um die
Erlaubnis gebettelt, daß Elke für drei Tage Katjes Gast sein durfte.
Der Mutter wäre es lieber gewesen,
wenn sie ihre Elke gerade jetzt, wo sie so manches gern ausführlich von ihr
erzählt haben wollte, hätte zu Hause behalten können, aber Elke hatte gebeten:
„Ach Mutti, ich gehe ja erst nach dem Mittagessen zu Katje. Bis dahin kann ich
dir alles erzählen. Und auch beim Mittagessen kann ich ja viel erzählen. Heute
ist Mittwoch, da kommt Vati doch nach Hause zum Mittagessen und Ulf auch.
Frau Tadsen hatte ihre Einwilligung
gegeben, und Katje war sofort losgejagt, um ihrer Mutter zu berichten, daß das
Herrliche, von dem Elke und sie so oft geträumt hatten, nun wirklich wahr
werden durfte. Nur gut, daß Elkes Arm heute schon lange nicht mehr so rot und
verschwollen aussah wie gestern, vielleicht wären Frau Tadsen sonst wieder
Bedenken gekommen, als sie den Arm ansah. So aber hatte sie ihr Nestküken nur
zärtlich in die Arme genommen, sie ein liebes, tapferes Kind genannt und gerne
versprochen, daß Elke von niemand Besuch bekommen sollte bei Katje — von Jens
nicht und von Gisela nicht, überhaupt von niemand. Es sollte ganz so sein, als
wenn sie weit weg verreist wäre!
Und nun war Katje gekommen, um Elke
abzuholen. Elke war noch immer mit dem Einpacken ihres Koffers beschäftigt. Es
war eine große Angelegenheit für sie. Sie hatte noch nie ihren Koffer allein
packen dürfen, wenn sie irgendwohin verreiste.
Fränzi kam jetzt ins Zimmer und lachte
hellauf, als sie Elkes großen und schon bis über die Hälfte angefüllten Koffer
sah.
„Elke, du hast ‘n Vogel!“ sagte sie
dann trocken.
„Wieso?“ Elke stellte den Kopf schief
und begann vorzuzeigen, was in dem Koffer alles drin lag:
„Drei Kleider — — das ist nicht zu
viel, das sagt Katje auch! Eins für gewöhnlich, eins zum Wechseln, falls es
Schnee gibt und wir beim Schneeballen naß werden, und eins, falls zu Reimers
Besuch kommt und wir uns hübscher anziehen müssen.“
„Und hier ist auch noch dein blauer
Rock und hier dein roter Sweater! Was willst du damit?“ hatte Fränzi
einzuwenden.
„Die zieh’ ich an, wenn es
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