Elke, der Schlingel
getrippelt war.
Die Klassenkameradinnen hätten es gern
gehabt, wenn Elke und Katje jetzt mit ihnen nach Hause gegangen wären, aber
nein, die beiden wollten noch in der Schmalzkuchenbude bleiben. Elke wollte
gern noch wieder mit verkaufen, und Katje wollte ihrer Tante beim Backen
frischer Kuchen helfen. Außerdem erwartete sie ja niemand zu Hause, es machte
also gar nichts, wenn sie ein bißchen später kamen. Kiki und ihr Trupp
verabschiedeten sich.
Gegen halb sieben Uhr fing es an,
stark zu regnen, und da der Boden von dem vorangegangenen Frost noch gefroren
war, entstand ein ekliges Glatteis.
„Ich glaube, ihr könnt gar nicht nach
Hause“, sagte Frau Lohmeyer nach dem Abendbrot zu den Kindern, „ihr könntet
euch die Beine brechen.“
Elke sah ihre Freundin mit blitzenden
Augen an. „Schick, das wäre was! Auf dem Dom schlafen!“
Katje schüttelte den Kopf. „Ich
glaube, das dürfen wir nicht.“
„Warum nicht?“ widersprach Elke. „Ich
mag gern hier sein.“
„Aber wenn vielleicht jemand kommt,
und wir sind dann nicht zu Hause“, gab Katje zu bedenken.
Frau Lohmeyer fand nun auch, daß es
wohl doch richtiger war, wenn die Mädel nach Hause gingen. Vielleicht würde es
mit dem Glatteis ja auch bald besser.
Aber es wurde nicht besser. Im
Gegenteil, die Leute purzelten durcheinander in den Domstraßen, es war ein
toller Betrieb, dem die beiden Kinder unmöglich ausgesetzt werden konnten. Elke
triumphierte. Die Abenteuerlust war in ihr erwacht. In einer Jahrmarktsbude zu
schlafen, fand sie herrlich. Mit bittenden Augen sah sie Frau Lohmeyer an. „Ich
möchte furchtbar gern hierbleiben“, sagte sie. „Ob wir bei Katje schlafen oder
hier, ist doch ganz einerlei.“
Frau Lohmeyer sah sich in der Wohnstube
um. „Es ginge schon“, meinte sie dann. „Katje könnte auf dem Sofa schlafen.
Elke im Liegestuhl und ich im Lehnstuhl. Onkel August geht ja doch nach Hause,
weil er das Geld wegbringen muß.“
„O ja, das ginge herrlich!“ stimmte
Elke sofort bei.
„Großartig! Ich könnte vielleicht auch-
-“ Elke stockte. Es war ihr ganz plötzlich ein Gedanke gekommen.
„Was könntest du vielleicht?“ fragte
die Bäckersfrau.
„Ach, Sie haben gesagt, daß ich
Kuchenabfall haben sollte, weil ich mit verkauft habe,“
„Ja, davon kannst du kriegen, so viel
du willst.“
„Ich möchte den Kuchenabfall gern
einem von den Theaterhunden schenken“, fuhr Elke fort, „dem kleinen weißen, der
mit dem schwarzen draußen auf dem Korbstuhl sitzen muß. Ich finde ihn so
niedlich, und er ist so dünn. Der schwarze kriegt natürlich auch was ab.“
Herr Lohmeyer war auch sehr tierlieb,
machte aber ein bedenkliches Gesicht. „Das geht nicht, daß du zu dem Italiener
hinübergehst und seine Hunde fütterst“, sagte er, „der würde wieder mit der
Peitsche auf dich losgehen. Du kannst die Hunde höchstens heimlich füttern. In
der Nacht vielleicht, wenn der Italiener und seine Donja nach Hause gegangen
sind. Ich könnte dir ein Loch in der Holzplanke zeigen, wo du nach den Hunden
hin durchkrabbeln kannst. Es sind alles gutmütige Tiere. Wenn du nicht bange
bist vor den Hunden, wenn es dunkel ist —- du könntest ja eine Taschenlampe
mitnehmen.“
Ein paar Augenblicke lang dachte Elke:
Nein, das wag’ ich nicht. Allein und im Dunkeln in die fremde Bude
‘rüberkrabbeln — nein, bloß nicht! Aber dann dachte sie an den kleinen weißen
Hund. Sicher freute der sich ganz furchtbar, wenn sie mit dem Kuchenabfall kam.
Und schon hatte sie mehr Mut.
„Ich glaube, ich tu’s“, sagte sie,
wenn auch noch ein bißchen zögernd.
„Wenn du bange bist, laß es lieber“,
antwortete Herr Lohmeyer. — Das traf! Elke und bange? Elke hatte von ihren
Brüdern oft und oft gehört, daß Bangesein nicht viel anderes hieß als Feigsein,
und Feigheit war die allererbärmlichste Untugend. „Bange bin ich nicht“,
antwortete sie deshalb jetzt sofort, „ich hab’ es mir bloß überlegt.“
„Die Hunde tun dir bestimmt
nichts--wenn du das
denkst! Es sind fast alles alte Tiere,
die froh sind, wenn sie in der Nacht ihre Ruhe haben“, erwiderte der Bäcker.
Von nun an war keine Rede mehr davon,
daß Katje und Elke für die Nacht nach Hause gehen sollten. Elke mußte ja ihren
kleinen weißen Hund füttern. Sie freute sich sehr darauf. Gewiß, es war ein
etwas unheimliches Abenteuer, dieses Gefühl wurde sie nicht ganz los, aber warum
sollte sie nicht auch mal was tun, wobei man ein bißchen Mut brauchte! Was
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