Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
geblieben ist, weil wir alle nicht das Einmaleins konnten.
    »Wie viel ist ein mal sieben?«, fragte der Lehrer.
    »Sieben«, antwortete Timo.
    »Ungefähr«, antwortete Tiina.
    »Vielleicht auch ein bisschen mehr«, antwortete Hanna.
    »Oder weniger«, antwortete ich.
    »Unsere Hausaufgabe soll angeblich das Leben sein, und jetzt sollen wir doch wieder das Einmaleins können«, beschwerte sich Mika. »Das hab ich nicht gewusst, und es ist gemein.«
    »Ich klopf ihm einen Siebener ins Hemd, wenn er damit nicht aufhört«, drohte der Rambo.
    »Na schön, dann bleib ich eben noch mal sitzen«, sagte Pekka. »Soll ich gleich, oder hat es Zeit, bis das Schuljahr zu Ende ist?«
    Das Lesen ging dann besser. Wir verstanden das Wort zwar nicht, das der Lehrer an die Tafel schrieb, aber wir konnten es lesen: Zivilation oder so ähnlich.
    Aber der Lehrer las es dann sowieso selbst: »Zivilisation. Wir leben in einer Zivilisation, und wir sind zivilisierte Menschen – weiß jemand, was das bedeutet?«
    »Zivilisiert ist man, wenn man beim Essen nicht das Messer abschleckt«, wusste Pekka. »Mein Vater schleckt immer das Messer ab, und meine Mutter sagt, er ist unzivilisiert, also der alte Vater jetzt, der Fakir.«
    »Hast du denn sonst noch einen?«, wunderte sich der Lehrer.
    »Logisch«, sagte Pekka und zwinkerte ihm zu. »Äh … eine Frage: Ziehen wir eigentlich irgendwann alle zusammen?«
    »Nicht bevor die Riesenschnabelhörnchen rückwärts fliegen«, seufzte der Lehrer.
    Die Riesenschnabelhörnchen konnten also rückwärts fliegen! Die Indianer wussten das bestimmt, aber wir hatten es nicht gewusst. Wir konnten von ihnen echt noch viel lernen.
    »Pekka hat übrigens gar nicht so unrecht«, sagte der Lehrer. Und dann erklärte er uns das mit der Zivilisation noch ein bisschen genauer. Zivilisiert ist man, wenn man an der richtigen Stelle laut und deutlich Guten Tag und Auf Wiedersehen sagen und ohne zu schmatzen mit Messer und Gabel essen kann. Außerdem ist man zivilisiert, wenn man die Hauptstädte vieler Länder weiß, wenn man eine Ahnung hat, wer Sibelius und Picasso waren, und wenn man das Kalevala 3) kennt. Außerdem sollte man als zivilisierter Mensch einen Kojoten erkennen, wenn man einen sieht, und nicht dauernd dazwischenquatschen, sondern die anderen ausreden lassen und zuhören, was sie zu sagen haben. Wenn sie dann anderer Meinung sind als man selber, soll man ihre Meinung genauso respektieren wie seine eigene. – Zivilisiert sein war ganz schön schwierig, das fanden alle.
    3) Das Kalevala ist eine große Heldensage, so ähnlich wie das Nibelungenlied, nur auf Finnisch natürlich.
    »Rechnen und Lesen sind natürlich wichtig, aber ich glaube, dass wir uns bis zu dem hohen Besuch ein bisschen mehr auf solche Dinge konzentrieren sollten. Wer erst mal zivilisiert ist, für den ist alles andere ein Klacks«, schloss der Lehrer, und wir fanden, es war eine schöne Ansprache, die er gehalten hatte.
    In der Pause vor der nächsten Stunde hörten wir dann, wie er sich zivilisiert mit seiner Frau unterhielt, also mit der ersten jetzt. Der Lehrer ging in ihr Klassenzimmer gleich neben unserem, und wir behielten ihn durch den Türspalt im Auge, wie wir es uns vorgenommen hatten.
    »Rate, was passiert ist?«, fragte der Lehrer.
    »Du hast deinen Namen gewechselt und heißt Der mit den Kindern johlt «, sagte seine Frau, während sie auf seinen Federschmuck starrte.
    »Wie?«, fragte der Lehrer.
    » Der mit den Pusteln im Gesicht würde auch passen.«
    »Wovon redest du?«
    » Der mit den Halbkojoten tanzt ?«
    »Geht’s dir nicht gut? Ist dir morgens wieder schlecht?«, fragte der Lehrer.
    »Ich hab’s: Der sich den Kittel mit Wasserfarben bekleckert !«
    »Ich verstehe kein Wort.«
    »Danke, gleichfalls, wie wir Bleichgesichter sagen«, sagte die Frau des Lehrers.
    Jetzt endlich kapierte der Lehrer. »Du redest von meinem Federschmuck, stimmt’s?«
    »Mein roter Bruder hat es erfasst«, sagte die Lehrerin. »Ist ihm übrigens aufgefallen, dass ich nicht mal frage, was das mitten an einem ganz normalen Schultag eigentlich soll?«
    »Du siehst das Ideal des finnischen Lehrers vor dir«, sagte der Lehrer, als hätte er die Frage gar nicht gehört. »Man hat mich entdeckt und auserwählt.«
    Die Frau des Lehrers sagte jetzt eine ganze Weile nichts. Dann seufzte sie und fragte:
    »Liebling, wer hat dich auserwählt? Hatte das Wesen Flügel und einen Zauberstab?«
    »Nein, wieso?«, fragte der Lehrer

Weitere Kostenlose Bücher