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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Kunstwerk gemacht hatte, war anscheinend sehr beliebt.
    »Was glotzt ihr denn die ganze Zeit die Garderobe an?«, rief der Lehrer, der inzwischen unsere Eintrittskarten gekauft hatte. »Hängt eure Sachen auf und kommt!«
    Der Lehrer führte uns als Erstes in ein Zimmer mit Bildern an den Wänden. Außerdem gab es dort Statuen auf weißen Sockeln und eine Tante in bunten Kleidern. Als wir näher zu ihr hingingen, sahen wir, dass das Bunte Farbkleckse auf einem weißen Kittel waren.
    Der Lehrer hatte auch seinen weißen Kittel mit Farbklecksen an, aber so bunt wie der von der Tante war er noch lange nicht.
    »Sieht so aus, als wären wir in derselben Branche«, sagte der Lehrer.
    »Ich bin die Künstlerin und stehe auch für Führungen zur Verfügung«, sagte die Tante.
    »Ich bin auch Künstler«, sagte der Lehrer. »Erziehungskünstler.«
    Wir rissen immer noch die Augen auf, um dem Lehrer eine Freude zu machen.
    »Stimmt was mit ihren Augen nicht?«, flüsterte die Tante dem Lehrer zu.
    »Tun Sie bitte so, als würden Sie es nicht merken«, flüsterte der Lehrer zurück.
    »Die sehen gespenstisch aus.«
    »Sie sollten sie erst im Speisesaal sehen.«
    Die Tante runzelte die Stirn, aber dann fing sie mit der Führung an.
    »Ihr habt bestimmt viele Fragen, aber vielleicht erzähl ich euch erst ein bisschen was über die Kunstwerke, die ihr in der Ausstellung seht. Dieses erste Gemälde hier ...«
    »Äh … nur noch eins«, unterbrach sie der Lehrer. »Bitte seien Sie vorsichtig!«
    »Vorsichtig?«, wunderte sich die Tante.
    »Kinder verstehen schnell etwas falsch, das kann zu Problemen führen.«
    »Aha.«
    »Ihre Werke sind doch versichert?«, fragte der Lehrer.
    »Äh ... natürlich.«
    »Gibt es irgendwo Verbandszeug?«
    »Ich denke schon ... soll ich nachsehen?«
    »Zu spät. Hoffen wir, dass wenigstens die Feuerlöscher funktionieren.«
    Die Tante runzelte wieder die Stirn und trat ein paar Schritte zurück. Aber dann ging es endlich los:
    »Dieses erste Gemälde ist entstanden, als mein Kind noch ein Baby war. Es ist ein Porträt.«
    Wir schauten mit weit aufgerissenen Augen das Bild an, aber wir sahen trotzdem kein Baby darauf. Da war überall nur gelbe und grüne Farbe und in der Mitte ein roter Punkt. Dann schauten wir wieder die Tante an, und jetzt fanden wir sie richtig spannend. Wir hatten gar nicht gewusst, dass es auch Mütter von roten Punkten gibt.
    »Ihr fragt euch bestimmt, weshalb auf dem Bild kein Baby zu sehen ist«, sagte die Tante. »Das kommt daher, dass ich mehr das Gefühl malen wollte, das ich damals hatte. Um das Baby zu sehen, müsst ihr die Augen schließen und euch fallen lassen ...«
    »Stopp!«, rief der Lehrer. »Hab ich Sie nicht gerade gewarnt?«
    »Wovor?«, wunderte sich die Tante.
    »Vor Wörtern. Vermeiden Sie Wörter wie ›fallen lassen‹, ›hinwerfen‹ oder auch ›rennen‹, ›klettern‹ und ›toben‹ – verstehen Sie?«
    »Öööh ... nein.«
    »Dann glauben Sie mir einfach. Ich habe Erfahrung. Ich bin, in aller Bescheidenheit, ein Meister meines Fachs«, sagte der Lehrer, und wir fanden ihn wirklich bescheiden. Schließlich war er außerdem noch ein Indianerhäuptling, Pekkas neuer Vater und ein Guru und Ideal.
    »Darf ich dann weitermachen?«, fragte die Künstlerin.
    »Aber bitte!«, sagte der Lehrer. »Seien Sie nur vorsichtig – Sie haben doch ein Handy?«
    »Selbstverständlich.«
    »Nur für den Fall, dass was passieren sollte.«
    »Was kann denn hier schon passieren?«
    »Nicht was hier passieren kann, ist die Frage, sondern wem es passiert«, sagte der Lehrer ernst.
    Die Künstlertante runzelte wieder die Stirn und trat noch ein paar Schritte zurück. Jetzt stand sie mit dem Rücken an der Wand.
    »Müssen die mich die ganze Zeit anstarren, ohne einen Mucks zu sagen?«, flüsterte sie dem Lehrer zu.
    »Bleiben Sie ruhig und schauen Sie ihnen nicht in die Augen, dann kann nichts passieren«, belehrte sie der Lehrer.
    »Mit jemandem zu reden, dem man nicht in die Augen schauen darf, ist schwierig«, beschwerte sich die Tante.
    »Keine Angst, sie wissen, wer der Anführer des Rudels ist«, versuchte der Lehrer sie zu beruhigen.
    »Und wer ist der Anführer?«, fragte die Tante.
    »Na, wer wohl?«, sagte der Lehrer, der jetzt ein bisschen beleidigt klang. »Übrigens sollte man sich, wenn man so ängstlich ist, besser keine weiteren Kinder zulegen.«
    Die Tante riss jetzt selber die Augen auf und starrte uns an, obwohl der Lehrer ihr davon abgeraten hatte.

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