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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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sie war, ohne Schnörkel, ohne eine Rolle spielen zu müssen. Sie hatte sozusagen den nackten Tatsachen ungeniert ins Auge sehen können.
    Elli musste bei dem Gedanken an ihre Begegnung in den Duschräumen des Nudistencamps unwillkürlich schmunzeln. Aber ein Leben im Wohnwagen? Das war nach wie vor unvorstellbar. Ein anderer Teil in ihr hielt aber sofort dagegen. Ein Leben unter der Brücke oder in irgendeiner miefigen Ein-Zimmer-Sozialwohnung — war dies vorstellbar oder gar erstrebenswert? Wieder schüttelte Elli den Kopf. Die Einsicht, dass sie nicht mehr auf ewig an dem festhalten konnte, was sie einmal gehabt hatte, dass ihr Leben ziemlich eingefahren war, schmeckte bitter. Mit sechzig noch einmal neu anfangen? Unmöglich! Sofort protestierte der andere Teil in ihr. Dem Leben wird sich so oder so ändern, ob du willst oder nicht. Gerade was Heinz betraf, gerieten die beiden Teile in ihr, die in ihrer Vorstellung gerade auf einem See aus Selbstmitleid um die Wette ruderten, in Streit.
    »Auf Roberto hättest du dich doch auch eingelassen, ohne ihn gleich heiraten zu wollen«, warf ihr einer der Bootsführer ihrer imaginären Ruderregatta vor.
    »Das ist doch etwas ganz anderes«, entgegnete der vom gegnerischen Team.
    Drohte sie jetzt schizophren zu werden? Zwei Stimmen in ihrem Kopf, und in ihrer Phantasie auch noch zwei Ruderer, die um die Medaillen in einem Wettbewerb kämpften, bei dem es um ihr Leben ging. Elli hielt es auf den Steintreppen nicht mehr aus, schon gar nicht in der prallen Sonne, doch auch im Schatten der Zitronenbäume ruderten die beiden Wettkämpfer weiter, sobald sie sich entspannte und ihren Gedanken wieder freien Lauf ließ. Die Frage, warum sie sich überhaupt auf einen Flirt mit Roberto eingelassen hatte, beschäftigte sie immer noch. Es war nicht nur das Umfeld einer kinoreifen Partyinszenierung gewesen, nicht nur der Umstand, dass er verdammt gut aussah und sie das Gefühl hatte, an Josefs Seite etwas im Leben verpasst zu haben. Es war auch nicht die Erbschaft. Alles vorgeschoben, gestand sie sich in dem Moment ein und überlegte, welche Momente sie am meisten in seiner Gesellschaft genoss.
    Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich gegen den Stamm eines Zitronenbaumes und versuchte sich dem bald darauf einsetzenden Strom von Bildern hinzugeben. Es fühlte sich an wie eine Reise durch die Zeit. In schneller Folge so viele Bilder, so viele Emotionen und Gesichter. Roberto de Andre tauchte immer wieder auf, sein Lächeln, sein Charme, wie er sich um sie bemühte, doch der Film, auf den sic sich einließ, lief plötzlich nicht mehr in Farbe, sondern in Schwarz-Weiß. Die Kleidung der Partygäste auf dem Limoncello-Fest hatte sich verändert. Waren es die fünfziger Jahre? Clark Gable und Sophia Loren tanzten neben ihr. Josef war auch eingeladen. Doro tanzte mit ihm, in ihrem grünen Kleid. Wie attraktiv sie darin war. Die ewige Siegerin.
    Josef durfte aber nicht mit Doro tanzen. Warum beachtete er sie nicht? Sie wollte zu ihm, doch Roberto ließ sie einfach nicht los. Mit Schwung wirbelte er sie immer wieder im Kreis herum. Dann war Josef verschwunden, ebenso wie die anderen Gäste, und sie war mit Roberto ganz allein auf der Tanzfläche. Wie bewundernd er sie anlächelte, wie federleicht sie sich fühlte, an der Seite so eines Mannes. Zwei Scheinwerfer waren auf sie gerichtet, wie beim Schautanz. In den Lichtkegeln, die ihnen bei jeder Bewegung folgten, schien die Zeit stillzustehen. Erst jetzt entdeckte sie ihre Schwester, die allein am anderen Ende der Terrasse stand und sie anstarrte. Kalte Eifersucht und wie gut sich dieser Blick doch anfühlte. Dagegen waren Robertos Augen langweilig und leer.
    »Sieh mich nur an. Schau, was deine kleine Schwester alles kann.« Was für ein Glücksgefühl, vor Doros Augen im Rampenlicht zu stehen.
    »Elli?«
    Wer rief sie denn da? Roberto und sie waren doch mit Doro allein auf der Tanzfläche.
    »Elli?«
    Immer noch dieses grelle Licht, nur kam es nun nicht mehr von den Scheinwerfern, sondern von der Sonne. Sie öffnete ihre Augen und sah Fabrizios Feldschuhe vor sich. Bei dem Versuch, sich aufzurichten, meldete sich sofort der Rücken. Fabrizio reichte ihr eine Hand.
    »Danke.«
    Immer noch wirkten die Bilder des Traumes in ihr nach.
    »Alles in Ordnung?«
    Zwar war im Grunde genommen gar nichts in Ordnung, aber Elli nickte trotzdem und ließ sich gerne von ihm aufhelfen.
    »Kommen Sie heute noch zufällig in die Stadt oder zum Hafen? Ich möchte

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