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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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geben können. Das Ganze ist mir nicht geheuer.«
    Mit ihrer Miesmacherei und den Gegenargumenten erreichte Frieda letztlich genau das Gegenteil. Eigentlich typisch deutsch, fiel Elli auf. Bloß nichts riskieren, auf jeder noch so zarten Pflanze, die in ihrem Fall Hoffnung auf finanzielle Rettung versprach, herumtrampeln und alles schon im Vorfeld zerreden. Sie war allergisch dagegen, sogar hochgradig allergisch. Wie oft hatten irgendwelche amerikanischen Filmverleiher Druck auf sie und Josef ausgeübt und sie dazu zwingen wollen, ihre Massenware »made in Hollywood« zu zeigen, anstatt auch mal einem kleinen Film eine Chance zu geben. Vergeblich, und der Erfolg an der Kinokasse hatte ihnen am Ende immer recht gegeben. Nein! Ihr die Reise nach Capri ausreden zu wollen, war ein hoffnungsloses Unterfangen.
    »Ich fahre trotzdem!«, widersprach sie mit voller Überzeugung.
    Das kurze Schweigen in der Leitung deutete da rauf hin, dass Frieda daran zu knabbern hatte. »Na ja, ein bisschen Sonne und das gute Klima werden dir sicher guttun«, lenkte sie angesichts Ellis Entschlossenheit ein. »Wann fliegst du?«
    »Gar nicht. Zu teuer.«
    »Du willst mit dem Zug bis nach Neapel? Da bist du ja ewig unterwegs.«
    »Ich fahre mit dem Auto. Gleich morgen früh!«
    »Was?« Frieda klang entsetzt. »Mit Reinhards alter Karre schaffst du es doch nicht mal bis zum Brenner.«
    »Und wenn ich den Wagen schieben muss!«, erwiderte sie trotzig und signalisierte zugleich, dass sie sich keine weiteren Miesmachereien anhören wollte.
    »Aber ruf mich an, wenn irgendetwas ist, auf dem Handy.«
    »Mach ich.«

    Ein VW-Käfer Baujahr 1973 ist eigentlich ein Museumsstück, sofern er optisch noch in Schuss ist. Reinhard, Autofreak und Wirtschaftswunder-Nostalgiker, war zeit seines Lebens Käfer gefahren, jedenfalls bis zu seinem tragischen Bergunfall am Wilden Kaiser. Vom Schneesturm überrascht, hatte er sich entgegen allen Warnungen in den Kopf gesetzt, den Abstieg doch noch zu schaffen. Leider ein Trugschluss, der dafür gesorgt hatte, dass sich die Kegelrunde um eine weitere Person dezimiert hatte.
    Elli hing an dem Gefährt, das ihr Reinhards führerscheinlose Frau geschenkt hatte. Das Erbstück hatte ihr bisher immer gute Dienste geleistet, zumindest vom Supermarkt bis nach Hause. Angeblich war so ein Käfermotor ja nicht totzukriegen, aber eine Alternative gab es sowieso nicht. Der Koffer war verstaut, die Kasse um fünfhundert Euro erleichtert. Auf dem Anrufbeantworter der Videothek hatte Elli die Nachricht hinterlassen, dass der Laden für eine Woche geschlossen sei. Pass, Auslandskrankenschein? Sie warf einen letzten Blick in ihre Handtasche: das Postsparbuch mit der eisernen Reserve, Pflaster, zwei Sonnenbrillen, eine Straßenkarte und eine alte Musikkassette mit Italo-Songs, die sie Vorjahren bereits ausgemustert und für die Reise wieder aus dem Keller ausgegraben hatte. Alles komplett. Zwischen den Brillenetuis lugte noch ein golden glitzerndes Etwas heraus: der Teelöffel von Elisabeth, ihrer Mutter. Auf so einer Reise konnte sie unmöglich auf ihren Glücksbringer verzichten!

    Gott sei Dank kein Verkehr! Elli hatte sich mit Google-Maps ausgerechnet, dass sie in neun Stunden in Neapel sein konnte, doch allein bis Innsbruck hatte sie wegen eines Unfalls im zähflüssigen Verkehr schon zweieinhalb Stunden gebraucht. Immerhin war der lahme Käfer dabei nicht weiter aufgefallen. Alles unter neunzig Stundenkilometern ließ sich mit dem knallroten Gefährt, dessen Stoßstange trotz Garagenhaltung im Laufe der Jahre einige Rostflecken abbekommen hatte, prima machen.
    Als Elli nun endlich freie Fahrt hatte und ordentlich auf die Tube drücken konnte, wurde aus dem rhythmischen
    Tuckern, an das sie sich in den letzten Jahren gewöhnt hatte, ein lautes Röhren mit gelegentlichen ächzenden Protestlauten, die ihr sogleich ein Stoßgebet entlockten, da sie die Grenze gern lebend erreichen wollte. Noch vor dem Durchtreten des Gaspedals hatte Drupis »Piccola e fragile«, das aus der ebenfalls in die Jahre gekommenen Stereoanlage dröhnte, wie ein Lobgesang auf ihr kleines, zerbrechlich erscheinendes Markenzeichen des deutschen Wirtschaftswunders gewirkt. Bei über hundert Stundenkilometern war aufgrund der hohen Dezibelwerte in Reinhards Käfer von Drupi allerdings so gut wie nichts mehr zu hören.
    Mist! Kopfschmerztabletten zu Hause vergessen. Bei diesem Höllenlärm, noch dazu in einem Wagen, der keine Klimaanlage hatte, war sie trotz

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