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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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ungewaschen und verknittert aussah, und dann dieser Stoppelbart und das strohblonde, ungepflegte schulterlange Haar. Vermutlich lag der letzte Friseurbesuch Jahre zurück. Nun warf er ihr auch noch ein Lächeln zu. Vermutlich ein Übriggebliebener aus den Siebzigern, der eine Joint-Pause einlegte. Der arme Hund! Mit dem Herrchen war er echt gestraft. Abhaken!
    Das Einzige, was jetzt zählte, war der kühle Luftstrom, der aus der Klimaanlage des Shops kam und ihr das Gefühl gab, endlich wieder tief durchatmen zu können.
    »Siebenundvierzig fünfzig«, krächzte die Tankstellenangestellte mit Zigarette im Mund an der Kasse.
    Ellis Geld machte sich zum Abflug bereit. Nach einem Blick auf die verlockenden Leckereien in der Vitrine gleich neben der Kasse kamen mit einem leckeren Parmaschinken-Sandwich und einem Bacio zum Nachtisch gleich noch einmal sieben Euro fünfzig dazu. Was soll’s, dachte Elli. Eine kleine Stärkung konnte nicht schaden. Obgleich auf Sparkurs, entdeckte sie noch einen Tisch mit allerlei Bürobedarf und Souvenirs.
    »Moment!«, bat sie die Kassenkraft und eilte zu der Auslage, die sie mit jedem Schritt immer mehr in ihren Bann zog. Was waren das für schöne, in Stoff eingeschlagene Notizbücher. Aufwendig und liebevoll gearbeitet, richtig edel. Erst jetzt machte Elli sich bewusst, warum sie sich davon magisch angezogen fühlte. Die Notizbücher erinnerten sie an ihr letztes Tagebuch. Wie lange war das her? Bestimmt eine halbe Ewigkeit. Eines der Büchlein, das mit einem Pfauenmotiv und Blumen in berauschender Farbenpracht verziert war, gefiel ihr ganz besonders gut. Warum hatte sie eigentlich aufgehört, ihre Gedanken niederzuschreiben?
    Wie gelähmt stand sie für einen Moment vor der Auslage. Die Erinnerung daran, wie viel Freude ihr das Schreiben einst bereitet hatte, war überraschend schmerzhaft. Zeitmangel? Die damals neu eröffnete Videothek? Nein, das war nicht der Grund gewesen. Elli wusste im Grunde genau, warum sie nicht mehr an ihre eigenen Worte geglaubt hatte. Zwar hatten ihre Lehrer in der Schule sie für begabt gehalten, aber Jahre später, nach ihrem Studium der Theaterwissenschaften, als sie ihre ersten Gehversuche als Autorin unternommen hatte, kam das Aus.
    »Ich lege Ihnen dringend nahe, nie wieder eine Zeile zu schreiben.« Gift und Galle hatten diese niederschmetternde Kritik aus dem Munde eines Lektors begleitet. Solche Worte schmerzten, erst recht von einem Profi, der sich Ellis Text auf Empfehlung ihrer seinerzeit im Verlagswesen tätigen Schwester, angenommen hatte. Dabei hatte Doro ihr den Mann als einen besonders versierten Lektor wärmstens empfohlen und ihr sein Wohlwollen zugesichert. Umso schlimmer hatte sein Urteil sie damals getroffen. Als talentfrei und gänzlich ungeeignet hatte er sie mit eiskaltem Blick aus einem Münchner Straßencafe entlassen.
    Ihre Tagebucheinträge waren daraufhin immer kürzer geworden und bald ganz ausgeblieben. Vielleicht hatte der Mann, dessen Namen sie erfolgreich verdrängt hatte, ja sogar recht. »Talentfrei!«, hämmerte es nun wieder in ihrem Kopf, während sie noch immer in dem Tankstellen-Shop stand. Egal, schließlich hatte sie nicht vor, ihre Tagebücher jemals zu veröffentlichen. Warum sie ausgerechnet jetzt den Wunsch verspürte, dieses Notizbuch zu kaufen, war ihr ein Rätsel. Rein rational betrachtet war sie sich sicher, dass sie sowieso nichts hineinschreiben würde, doch irgendeine Kraft drängte sie wie ferngesteuert dazu.
    Gleich fünfzehn Euro! Das konnte sie sich eigentlich gar nicht leisten. Aber es war doch so schön! Notfalls konnte sie das Pfauenbuch auch als Notizbuch in der Videothek verwenden. Her damit! Dass die Dame an der Kasse das Buch trotz der immer länger werdenden Warteschlange auch noch besonders liebevoll verpackte, bereitete Elli besondere Freude. Fast schien es, als ob die Italienerin ihr angesehen hätte, wie viel ihr dieses Notizbuch, das der Wiederaufnahme ihrer Tagebuchaufzeichnungen dienen sollte, wert war.
    Jetzt nur noch mal schnell aufs Klo und dann weiter. Bei dem Schneckentempo, in dem sie unterwegs war, blieb ihr vermutlich sowieso nichts anderes übrig, als auf halber Strecke zu übernachten.
    Kaum an ihrem Wagen angekommen, fiel ihr auf, dass der rechte Vorderreifen etwas platter aussah als die anderen. Ein Reifencheck konnte da sicher nicht schaden. Glücklicherweise entdeckte Elli ein Reifendruckmessgerät, das aussah, als könnte sie damit zurechtkommen. Um ihre zwei linken

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