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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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griff nach ihrer Hand, doch sie entzog sie ihm. Taub und schwer waren ihre Glieder, ihr Körper fühlte sich an wie ein Stein, in dem ein nutzlos schlagendes Herz pulsierte.
    »Bitte geh«, wisperte sie. »Ich möchte alleine sein.«
    »Es tut mir leid«, sagte Jesh leise. »Ich dachte, du solltest es wissen, bevor du dich zu etwas hinreißen lässt, was du später vielleicht bereust.«
    Sie antwortete nicht. Schweigend verließ sie das Bad und sank auf ihre Bettstatt. Kylian würde noch viele Sternenläufe erleben, weit mehr als sie. Diese Tatsache war ihr zwar bewusst gewesen, doch erst jetzt verstand sie, was das bedeutete. Sie würde altern, er nicht, zumindest nicht im gleichen Maße. Und wie könnte er sie lieben und begehren, wenn sie aussah wie Geldis?
    Die Seherin war seine Gefährtin gewesen. Niemals hätte sie das für möglich gehalten, aber nur wegen ihres Alters. Wäre sie jung und schön gewesen, hätte sie es sofort in Betracht gezogen. Könnte sie es ertragen, an Kylians Seite zu stehen, während ihm junge Dinger schöne Augen machten und der welken Frau an seiner Seite abfällige Blicke zuwarfen oder schlimmer noch, sie nicht einmal beachteten?
    Nein! Das könnte sie nicht. Niemals!
    Das Erkennen ihrer Vergänglichkeit traf sie wie Lord Wolfhards Rute: unvorbereitet und schmerzhaft − und hinterließ tiefe Wunden und Verzweiflung. Wie lange würde er noch leben, wenn sie das Zeitliche segnete? Wie lange würde er noch jung und stark sein, während ihr Körper zu Asche verbrannte? Und was war mit Kindern? Könnten sie überhaupt welche bekommen?
    So viele Fragen, auf die es nur eine Antwort gab: Sie konnte nicht Kylians Gefährtin werden. Niemals. Ihre Liebe war nur Illusion, ein kurzer Traum, der für die Dauer einer Nacht ihr Leben mit Glück erfüllt hatte, und für ihn vielleicht nicht einmal das. Für ihn war es wahrscheinlich nur Berechnung gewesen, höchstens noch Begehren, aber keinesfalls Liebe. Die alte Seherin starb, also brauchte er eine Neue. Wer wäre da geeigneter als eine junge, heimatlose Frau, die noch dazu übersinnlich begabt war? Wann war aus seiner anfänglichen Verachtung Interesse erwachsen? Wann war er plötzlich freundlich geworden? Erst als er ihre Talente erkannt hatte. Zuvor hätte er sie halbtot am Wegrand ausgesetzt, wenn die anderen ihn nicht daran gehindert hätten.
    Jesh sprach die Wahrheit. Kylian war nicht der Richtige für sie, er war ja nicht einmal ein Mensch.
    Ein leises Klopfen an der Tür schreckte sie aus ihren Gedanken. »Ja?«
    »Ich bin es, Kylian.«
    Ellin wischte die Tränen von den Wangen, atmete tief ein und versuchte, ihr aufgebrachtes Gemüt zu beruhigen. Entschlossen stand sie auf und öffnete die Tür. Sein ungewohnt strahlender Blick zerriss ihr fast das Herz.
    »Ich grüße dich, Liebste. Du siehst wunder …«, er stutzte. »Hast du geweint? Was ist passiert?«
    »Ich weiß von dir und Geldis«, stieß sie ohne Umschweife hervor. Erneut schossen Tränen in ihre Augen.
    Kylian schob sie in die Kammer zurück und schloss die Tür. »Wer hat dir das gesagt?«
    »Macht das einen Unterschied? Warum hast du es mir verschwiegen?«
    »Jesh, dieser verfluchte Kerl«, zischte er. »Es ist die Eifersucht, die aus ihm spricht.«
    »Und doch ist es die Wahrheit«, entgegnete Ellin.
    Er seufzte. »Ich wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst, zudem wollte ich den Ausdruck auf deinem Gesicht vermeiden, den du nun so offen zur Schau trägst.«
    Herausfordernd starrte Ellin ihn an. »Und Geldis? Was denkst du, wie sie sich gefühlt hat? Wann wirst du einen Ersatz für mich finden? In zehn Sternenläufen, in zwanzig? Oder erlaubst du mir, länger zu bleiben, wenn ich deine Liebschaften dulde?«
    »Was zwischen Geldis und mir war, liegt schon lange zurück und es war nicht dasselbe wie das zwischen dir und mir.«
    Ellin ballte die Hände zu Fäusten und unterdrückte ein Schluchzen. »Nichts ist anders, Kylian. Es ist dieselbe Geschichte, doch diesmal wird sie anders enden. Ich bin nicht so dumm und reise mit euch durch das Land, bis du meiner überdrüssig wirst, wenn ich alt und grau bin.«
    Kylians Gesichtsausdruck wechselte von besorgt zu wütend. Ellin wich vorsichtshalber einen Schritt zurück.
    »Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast, nur weil ein eifersüchtiger Bengel dir eine Halbwahrheit erzählt hat«, presste er mühsam beherrscht hervor.
    »Wahrheit oder nicht«, erwiderte sie mit gesenkter Stimme. »Die Tatsache bleibt, dass

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