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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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kleinen Leckereien, die er vom Essen des Herrschers abzweigte. So war sie durchweg beschäftigt und hatte keine Zeit, sich um das Lager der Buschstreiter zu sorgen, die ihre Zelte tatsächlich direkt neben dem Gesindetross errichtet hatten. Am Abend war sie so müde, dass sie selbst inmitten feindlicher Krieger geschlafen hätte.
    Um die Mittagszeit des folgenden Tages erreichten sie die Grenze Huanacos. Wie ein grünes Zauberland tauchte die Hügelkette vor ihnen auf. Drei Wege führten von Süden aus durch den Wald in die Stadt. Das Heer teilte sich auf und marschierte auf dem jeweiligen Pfad voran. Eine angespannte Stille erfasste die Menschen. Ab sofort befanden sie sich in Feindesland. Da sie auf den schmalen Pfaden nur zu viert nebeneinander laufen konnten, wurde das Heer zu einem langgezogenen Wurm aus menschlichen Leibern und damit leichte Beute für einen Hinterhalt. Die Buschstreiter huschten durch den Wald auf der Suche nach Nosaras Schattenkriegern, die Fortas’ halbe Armee töten könnten, ohne auch nur gesehen zu werden. Die Thalaner sahen Dinge, die einfache Soldaten nicht sahen, und bemerkten selbst kleinste Veränderungen in der Umgebung oder im Verhalten der Tiere. Wie Waldgeister huschten sie in dem Dickicht umher, behände, flink und fast unsichtbar.
    Die erfolgreiche Durchquerung des Urwalds war entscheidend, denn wenn sie fast vollzählig nach Huanaco gelangen würden, erhöhte das die Wahrscheinlichkeit eines Sieges beträchtlich.
    Der Gesindetross wagte sich als Letzter in den Wald, nur gefolgt von einer zwanzig Mann umfassenden Soldatenschar, die ihrem Schutz diente. Die meisten Diener kannten nur das trockene Kismahelia und zeigten sich entsprechend überwältigt von der grünen Pracht. Ellin dagegen war der Wald noch allzu vertraut.
    Sie kamen nur langsam voran, blieben jedoch vor feindlichen Übergriffen verschont. Die erste Nacht verbrachten sie auf dem Pfad, und da sie auch in der Dunkelheit mit einem Angriff rechneten, schliefen sie in und unter den Wagen oder kauerten sich hinter Schilden oder zwischen die Zuggäule. Anfänglich blieb alles ruhig, doch kaum verschwand das Licht des Nordsterns, griffen die ersten Schattenkrieger an. Ellin bekam außer den Rufen, Schreien und dem Klirren von Schwertern nichts von den Kämpfen mit und so hoffte sie, dass es den Thalanern gelingen würde, die Schattenkrieger abzuwehren. Im Feuerschein bereitete sie mit Ecarius alles für die Versorgung Verwundeter vor, doch die Zeit verstrich, ohne dass ein Verletzter gebracht wurde. Mit klopfenden Herzen saß sie neben dem Feuer, starrte in die Finsternis und wartete. Irgendwann verstummte der Kampfeslärm und sie döste ein, bis sie von lautem Rufen geweckt wurde. Die Morgenröte schimmerte durch die Blätter. Das Feuer war heruntergebrannt, nur die verkohlten Reste glimmten leise vor sich hin. Soldaten bahnten sich einen Weg durch die Menschenschlange. Sie trugen mehrere Verletzte. Die Hälfte war auf dem Weg zum Lager des Heilers gestorben und bei denen, die noch atmeten, war es fraglich, ob sie überleben würden. Ecarius zog die Pfeile aus ihren Leibern, nähte und verband Wunden und verabreichte schmerzstillende Tränke. Die Sklaven schleppten Tragen herbei und betteten die Verwundeten darauf. Zwar war es den Buschstreitern gelungen, die Schattenkrieger abzuwehren, doch würden sie in der nächsten Nacht gewiss wiederkehren. Die Heerführer drängten zur Eile und so setzte sich die Menschenschlange wieder in Bewegung, kaum dass die Verletzten auf Tragen gebettet worden waren. Essen, waschen, die Notdurft verrichten, alles geschah in großer Hast. Weder gab es Pausen, noch wurden die Langsameren berücksichtigt. So geschah es, dass der Gesindetross immer weiter zurückfiel und erst am späten Abend, als die Soldaten bereits rasteten, wieder aufschließen konnte. In der Nacht wurde erneut gekämpft, diesmal schien der Gefechtslärm näher als zuvor. Die Diener kauerten sich ängstlich auf den Boden oder versteckten sich unter den Wagen. Auch Ellin und Ecarius zogen es vor, im schützenden Karren zu verweilen. Bis zum Morgengrauen drangen das Zischen der Pfeile, das Klirren der Schwerter und das Schreien der Verletzten an ihre Ohren. Niemand schlief in dieser Nacht. Ellin betete für Kylian, froh darüber, dass er nicht ahnte, wie nah sie der Gefahr war. Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Blätterdach krochen, krabbelten sie müde und mit schweren Gliedern aus dem Wagen und sahen nach den

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