Ellin
einfaches Gehöft siedelten. Die Bewohner befanden sich auf den Feldern direkt hinter der Siedlung.
»Da müsste doch was zu trinken und ein williges Weib aufzutreiben sein«, sagte Ludolf. »Lasst uns hinunterreiten und uns nehmen, was uns gefällt.«
»Wir können nicht einfach über den Weiler herfallen, wir sind noch immer in Thal, hier gelten andere Gesetze«, warnte Heirich. »Zückt eure Börsen, denn nur damit bekommen wir ein wenig Spaß. Die Menschen hier sind arm und sicher froh über ein paar Prasis.«
Die anderen brummten unwillig, griffen aber sogleich in ihre Taschen und wühlten nach den erbeuteten Schätzen. Floran und Burk, die Jüngsten in der Gruppe, wurden beauftragt, Ellin zu bewachen und das Nachtlager vorzubereiten, was sie mit lauten Flüchen zur Kenntnis nahmen, glaubten sie doch, um ihren Spaß gebracht zu werden. Grob zerrten sie Ellin vom Pferd und banden sie fester als nötig an einen Baum. Ihre Blicke waren mörderisch. Sie spuckten auf den Boden, traten gegen Bündel, zerrten die Sattel von den Pferden und feuerten sie in die Ecke. Erst als die anderen zurückkehrten, zwei Frauen sowie ein kleines Fass mit sich führend, erhellten sich ihre Mienen und Ellin wagte, aufzuatmen. Jedoch nicht lange. Den Anblick von feiernden Soldaten war sie durch Lord Wolfhards Saufgelage gewohnt, doch dass sie sich vor den Augen aller nacheinander mit den Frauen paarten, bestürzte sie zutiefst. Wie Tiere fielen die Männer über die Frauen her und wie Tiere rammelten sie, rücksichtslos und ohne Scham. Niemand beachtete Ellin und als die Soldaten kurz vor Morgengrauen in den besinnungslosen Schlaf von Betrunkenen fielen, rappelten sich die ebenfalls angetrunkenen Frauen auf, rafften ihre Kleider zusammen und schlichen in den Weiler zurück.
Sofort begann Ellin, an ihren Fesseln zu zerren, behielt dabei jedoch die Soldaten im Blick, damit nicht einer zufällig erwachte und sie ertappte. Sie mühte sich nach Kräften, ihre Handgelenke aus den Seilen zu lösen, versuchte es sogar mit den Zähnen. Ohne Erfolg. Heirich verstand sich darauf, einen unlösbaren Knoten zu knüpfen. Sie erlaubte sich, ein paar Tränen zu vergießen, während sie hasserfüllt die schnarchenden Männer betrachtete. Kylian mochte eigensinnig und schweigsam sein, doch im Vergleich zu diesem Abschaum war er fast schon ein Heiliger. Traurig schloss sie die Augen und gab sich wohl zum hundertsten Mal der Erinnerung an die Nacht des Sternenfestes hin. Kylian und sie, Arm in Arm im weichen Gras, die fallenden Sterne im Blick. Liebesschwüre und seine Lippen auf ihrer Haut. Sie bewahrte diese Bilder wie einen Schatz, denn sie halfen ihr dabei, der grausamen Welt für eine kleine Weile zu entfliehen.
»Aufstehen, Süße.« Heirich zerrte sie auf die Füße. »Wir haben Zeit verloren und müssen uns beeilen.«
Ellin warf ihm einen giftigen Blick zu. Ihr Herz pochte wild, weil sie so brutal aus dem Schlaf gerissen wurde.
Er grinste sie an. »Na? Hat das Zusehen Spaß gemacht? Schade, dass du nicht mitgefeiert hast. Ein wenig Spaß würde dir sicher nicht schaden.« Er kniff ihr in den Po, hob sie hoch und hievte sie auf den Rücken des Pferdes. Sie stieß eine Verwünschung aus und spie ihm vor die Füße. Er lachte über ihre Wut. »Lord Wolfhard wird dich schon zähmen«, prophezeite er, während er hinter ihr aufstieg.
Verkatert aber zufrieden zog die Schar weiter. Am Nachmittag passierten sie die Grenze zu Veckta, was den Soldaten ein andauerndes Jubelgeschrei entlockte. Die Belohnung war nah.
Albträume quälten Ellin in der folgenden Nacht. Sehr bald schon würden sie den Hammerfels erreichen und den Weg zur Festung erklimmen. Angst und Verzweiflung überfielen sie, füllten ihre Träume mit Blut und Tod. Wie der Vorbote auf kommendes Leid war der nächste Tag trüb und kalt. Ein scharfer Wind blies über das Land und ließ sie frösteln. Sie bekam keinen Bissen mehr hinunter und trank nur noch, wenn ihr Hals so trocken wurde, dass er schmerzte. Die Männer gaben noch besser auf sie acht als bisher. Heirich band die Seile so fest, dass sie ihre Haut durchscheuerten, bis das rohe Fleisch hervorblitzte und sie jegliches Gefühl in Händen und Füßen verlor.
Nachdem sie den Wald durchquert hatten, folgten sie einem Weg, der sie bis zum Fuß des Hammerfelsens führte, wo er schließlich abknickte und eine Weile zwischen Berg und Waldrand verlief. Kurz bevor der Nordstern versank, gelangten sie an den nördlichen Aufstieg. Dort,
Weitere Kostenlose Bücher