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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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wußte, es würde nicht gelingen.
    Fast beiläufig führte ich die verschlungenen Hand- und Fingerbewegungen aus, die ich so lange geübt hatte, und intonierte lässig den kurzen Zauberspruch, der mir dieses Mal auch nur beinahe und nicht vollständig die Zunge verrenkte. In meinen Ohren klingelte es, und mein Blick verschwamm. Als ich wieder klar sehen konnte, brannte die Kerze ruhig vor sich hin, als hätte sie das schon seit Anbeginn der Zeit getan. Keine großartigen Erscheinungen, kein Knall, kein Blitz, keine Fanfare: sie brannte einfach.
    Ich muß in meinem freudigen Schrecken wohl aufgeschrien haben, denn Julian ließ beinahe das Buch fallen, mit dem er sich gerade beschäftigte. Er beugte sich über die Kerze und betrachtete sie sehr gründlich – wohl, um auszuschließen, daß ich ihm wieder einmal einen meiner Streiche spielte –, dann sah er zu mir hinüber und belohnte mich mit seinem seltenen Lächeln.
    »Gut gemacht«, sagte er trocken. »Dann sollten wir jetzt wohl lernen, wie man die Flamme wieder löscht.« Meine nächste Lektion nahm ihren Anfang.
    Die freie Zeit, die mein Unterricht mir ließ, verbrachte ich mit Nikal. An einem der ersten heißen Tage im Jungsommer vertrat er wieder einmal Torkal im Waffenhof. Ich hatte diesmal eine selbst für meine bescheidenen Ansprüche besonders schlechte Figur bei den Übungskämpfen gemacht und mir von den anderen einiges an spöttischen Bemerkungen gefallen lassen müssen. Niedergeschlagen trödelte ich am Brunnen herum und wusch mir mit dem eisigen Wasser Schweiß und Staub von der Haut.
    Nikal war im Waffenschuppen verschwunden und kam mit einem Stoffbündel wieder zum Vorschein. »Komm mit«, sagte er knapp. Ich folgte ihm ängstlich zum Flußufer hinunter. Was hatte er vor? War er böse auf mich, weil ich so miserabel gekämpft hatte?
    Am Fluß angekommen, schlug er das Tuch auseinander und zeigte mir seinen Inhalt: einen kleinen Jagdbogen und Pfeile. Nikal grinste mich an und drückte mir den Bogen in die Hand.
    »Laß sehen, wie du damit klarkommst«, sagte er fröhlich und gab mir meine erste Lektion im Bogenschießen.
    Die Sonne stand schon merklich tiefer, als wir aufhörten. Ich entspannte den Bogen, wie er es mir gezeigt hatte, und blies müde und zufrieden auf die Blasen, die sich trotz des schützenden Handschuhs an meinen Fingern bildeten.
    »Komm, Kleiner, gehen wir doch noch eine Runde schwimmen, da wir schon mal hier sind«, schlug Nikal vor.
    Das Wasser war kühl und brannte auf meinen wunden Fingern. Nach dem Bad lagen wir in der noch immer heißen Sonne des späten Nachmittags und ließen uns trocknen. Nikal lag auf dem Rücken im Gras, die Augen geschlossen und kaute auf einer Rispe Flußhafer. Ich hatte mich auf den Bauch gedreht und beobachtete zwei metallischblaue Käfer dabei, wie sie um einen Brocken Aas kämpften. Mein feuchter Rücken trocknete schnell in der heißen Sonne, und langsam wurde mir wieder warm. Der Kampf der Käfer entschied sich schließlich, und der Sieger eilte davon, die Trophäe in den Zangen. Ich schlug nach einer Stechfliege, die sich auf mir niederlassen wollte, und drehte mich faul auf den Rücken, damit auch meine Vorderseite trocknen konnte. Der Himmel über mir war fast weiß und blendete so stark in der Sonnenglut, daß ich die Augen abschirmen mußte. Der Fluß gluckste leise, und Hummeln summten träge durch die hitzeflirrende Luft.
    Nikal war fest eingeschlafen. Sein Haar, von der Sonne hellgebleicht, hing ihm wirr und feucht ins Gesicht. Die Rispe war ihm aus dem Mund gefallen und lag auf seiner Brust. Ich sah ihn an und fühlte plötzlich eine heftige Zuneigung in mir aufschießen. Diese ungewohnt rührselige Empfindung verwirrte mich außerordentlich, und ich schüttelte sie schnell ab. Ich nahm den Halm auf und kitzelte Nikal damit sacht an der Nase. Er nieste und wachte auf.
    »Lausebengel«, sagte er vergnügt, als er erkannte, was ihn geweckt hatte. Er stand auf und reckte sich, daß seine Gelenke knackten. »Ich weiß ja nicht, wie es mit dir steht, Kleiner, aber ich habe Hunger.« Ich sah ihm zu, wie er sich in seine Hose zwängte und faßte mir ein Herz.
    »Nikal, darf ich dich was fragen?« Er brummte zustimmend. »Was ist ein T'svera?«
    Er riß die Augen auf. »Warum fragst du das?«
    »Die anderen Jungen nennen mich so.«
    Nikal räusperte sich unbehaglich, meine Frage schien ihn peinlich zu berühren. »Weißt du, Ell, das solltest du eigentlich lieber deine Mutter fragen.«
    »Das

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