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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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anstrengender. Das Bündel auf meinem Rücken wurde mit jedem Meter schwerer, und meine Hände begannen bald heftig zu schmerzen. Endlich fühlte ich festen Boden unter meinen Füßen. Mit zitternden Gliedern sank ich in die Knie und versuchte, erst einmal wieder zu Atem zu kommen.
    Im Verlies war es so finster, daß ich meine Hand nicht vor Augen sehen konnte, und dazu eisig kalt. Trotz der Kälte roch die Luft muffig und abgestanden. Ich löste mein Bündel und suchte die Talglampe heraus. Doch meinen Feuerstein konnte ich beim besten Willen nicht finden. Ich wühlte und grub und durchsuchte meine Taschen und das Bündel wieder und wieder, aber er blieb verschwunden. Wenn ich mich doch nur an den Zauber erinnern könnte, der den Docht der Lampe zum Brennen bringen würde! Ich hielt die Lampe in der Hand und versenkte mich tief in meinen Geist. Aber es nutzte nichts, die Tafel meiner Erinnerung blieb schwarz und leer. Ich stieß einen erbitterten Fluch aus und blinzelte ungläubig: ein zarter Schimmer drang durch die Dunkelheit und wurde zu einem beständigen Glimmen. Erst schwach, dann immer heller erstrahlte die kleine Lampe und beleuchtete warm meine Hände und einen kleinen Teil meiner unfreundlichen Umgebung. Was auch immer die Lampe entzündet hatte, es war keiner der Zaubersprüche gewesen, die Julian mich so mühsam gelehrt hatte.
    Ich verschob die Ergründung dieses Rätsels auf einen späteren Zeitpunkt und hob die Lampe, um mich umzusehen. Ich stand genau unter dem Angstloch, und rund um mich erstreckte sich der weite, leere Raum wie eine riesige Höhle. Der Boden war festgestampfte Erde, von der ein kühler, feuchter Hauch aufstieg. Die dicken Grundmauern des Burgfrieds, die die Wände des Verlieses bildeten, lagen außerhalb der kleinen Lichtpfütze meiner Lampe im Dunkel. Zu meiner Rechten vernahm ich ein Rascheln, dessen Ursprung ebensogut eine huschende Ratte wie ein sich bewegender Mensch sein konnte. Ich wandte mich in die Richtung des Geräusches und stolperte schon nach wenigen Schritten beinahe über ein am Boden liegendes Bündel. Ich kniete nieder und hielt die Lampe darüber. Es war Nikal, der schlafend oder bewußtlos auf der nackten Erde lag. Ich rührte sanft an seine Wange. Sie fühlte sich kühl an, viel zu kühl. Sein Atem war fast nicht zu spüren.
    Entschlossen, wenn auch ein wenig furchtsam, breitete ich Jemainas Utensilien aus. Ich zerschnitt mit einem scharfen Messer eine der Bandagen und füllte Wasser in eine Schale. Dann begann ich vorsichtig, wie ich es gelernt hatte, seine Wunden von dem anhaftenden Schmutz zu säubern. Zum Glück erwachte er während dieser schmerzhaften Prozedur nicht aus seiner Bewußtlosigkeit.
    Endlich schien mir sein Rücken hinreichend gesäubert zu sein, um ihn verbinden zu können. Ich goß das blutige Wasser fort und füllte die Schale mit der alkoholischen Essenz, die dafür sorgen sollte, daß die Wunden sich nicht entzündeten. So behutsam, wie es mir möglich war, betupfte ich damit seinen Rücken. Nikal murmelte etwas und bewegte schwach eine seiner schlaff daliegenden Hände. Ich sprach ihn leise an, um ihn nicht zu erschrecken. Doch er regte sich nicht wieder, sein Atem ging so leise und gleichmäßig wie zuvor.
    Mit dem Handrücken wischte ich ungeduldig eine kitzelnde Haarsträhne aus meiner Stirn und fuhr mit meinem Werk fort. Ich befestigte den Verband notdürftig mit einigen Bandagen, damit er nicht sofort wieder verrutschte, und wollte dann versuchen, Nikal etwas komfortabler zu lagern. Ich fühlte am Hals nach seinem Pulsschlag, als mich ein eisenharter Griff am Handgelenk packte. Ehe ich mich versah, lag ich auf dem Rücken, bewegungsunfähig, mit Jemainas schärfstem Messer an meiner Kehle. Über mir schwebte Nikals zerschlagenes Gesicht. Schweiß perlte auf seiner Stirn und hing in den grauen Bartstoppeln. Die Augen eines Fremden blickten mit tödlicher, wahnwitziger Ruhe auf mich herab.
    »Nik, ich bin es«, krächzte ich verzweifelt. Ich fühlte das Messer meine Haut ritzen, und ein Tropfen Blut rann warm und kitzelnd herab zu meinem Ohr. Der wahnsinnige Fremde mit dem Gesicht meines alten Freundes zögerte, aber sein schraubstockfester Griff lockerte sich nicht. Ich rang ein Schluchzen nieder, das ich in mir aufsteigen fühlte, denn die kleinste Bewegung reichte jetzt aus, damit ich mir selbst die Kehle durchschnitt. Aus meinen Augen liefen Tränen, während ich Nikal ansah. Nichts in seinem Gesicht deutete auf Erkennen oder

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