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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Mein Schwur gebot mir, nicht weiterzusprechen. »Ich hätte niemals sein Geld…«
    Sie sah mich an. Ein Blick, der alles hätte bedeuten können.
    »Elsa, lass uns abhauen. Du und ich. Wir gehen einfach.«
    Sie lächelte mild. »Nein.«
    »Aber du wolltest doch immer weg.«
    »Ach, Fetti«, sagte sie und streichelte meinen Kopf.
    »Kann es denn wenigstens wieder so sein wie früher? Bevor ich…«
    »Ich muss jetzt schlafen.« Elsas Stimme besaß die gleiche ungewohnte Milde wie ihr Lächeln.
    »Verzeihst du mir denn?«
    »Was soll ich dir verzeihen, Fetti?«
    »Dass ich ein Lügner und Betrüger bin.«
    »Wer ist das nicht?«
    Noch einige Male sah ich Elsa nachts über unseren Hof huschen. Unmöglich auszumachen, woher das Mädchen kam. Ein Schatten. Ein Geist. Ich wagte nicht mehr, ihr zu folgen.
    Hatten wir wirklich nur ein Paar Lackstiefel beerdigt? Oder doch ein weiteres Stück unserer Freundschaft? Eine Zimmerlänge und eine Grabesbreite trennten Elsa und mich nun voneinander. Dass sich noch mehr zwischen uns gedrängt hatte, ahnte ich damals nicht.
    Ich machte meine Hausaufgaben im Frühstücksraum und stopfte die letzten noch von Ostern übriggebliebenen Schokoladeneier in mich hinein. Wieder einmal hatte ich nach der Schule vergeblich auf Elsa und meinen Bruder gewartet.
    Zäh zerrannen die Stunden, begleitet vom Gejammer der Kratzlerin, die sich seit dem Tod des Murmeltiers um die Ponys kümmern musste. Randolph hätte sie einfach verhungern lassen. Außerdem wohnten zu ihrem Ärgernis mittlerweile zahllose Katzen auf unserem Hof und in unserem Fast-Hotel. Die Babys der Tigerkatze hatten ebenfalls Babys bekommen.
    »Herzjesulein im Himmel, die Viecher stolzieren hier ein und aus, als ob das Haus ihnen gehören würde. Ich habe zwei Weltkriege überlebt. Wofür? Damit ich jetzt an Läusen und Flöhen zugrunde gehe?«
    »Aber Frau Kratzler, der Noah aus der Bibel hat für die Tiere sogar ein Schiff gebaut. Im Auftrag von Gott. Und wenn Gott Tiere gemocht hat, dann hat das Herzjesulein sie sicher auch gern.«
    »Noah hat zwei von jeder Sorte mitgenommen. Zwei Löwen, zwei Elefanten, zwei Bären, zwei Affen, und nicht hundert.«
    »Aber wenn man alle zusammenzählt, sind das ja einfach ’ne Menge Tiere, und er hatte nur ein Boot und wir haben…«
    »Schluss jetzt, Karl. Du redest Blödsinn.«
    Zäh zerrannen die Stunden.
    Mein Vater kam aus der Kartoffelchips-Fabrik nach Hause. »Geht es dir gut, mein Junge?«, fragte er, und ich nickte.
    Es dunkelte, der letzte Bus aus der Stadt fuhr die Hauptstraße entlang. Jede Minute würde die Tür aufgehen, Lorenz würde hereinspazieren, und vier Schläge, die man für den Auftakt einer Habanera halten könnte, würden mein Herz erzittern lassen.
    Doch die Tür ging nicht auf.
    Zäh zerrannen die Stunden.
    Mittlerweile waren die Gröhler-Brüder eingetroffen.
    »Haben Lorenz und Elsa denn nichts gesagt?«, fragte Gustav mich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ihr drei klebt doch sonst wie Kletten aneinander.«
    »Wir sollten sie suchen«, sagte mein Vater.
    »Oder die Polizei anrufen«, meinte die Kratzlerin. »Hoffentlich ist kein Unglück geschehen.«
    »Am besten teilen wir uns auf«, schlug Hubertus vor.
    Während er und Randolph mit dem Auto die Gegend abfuhren, wartete ich mit Frau Kratzler und Gustav im Frühstücksraum.
    »Dieses Ungeheuer. Dieses schlimme Mädchen«, fluchte Gustav.
    »Wenn ihnen etwas passiert ist… Herzjesulein im Himmel, die armen Kinder.«
    »O nein, denen ist nichts passiert. Die treiben sich irgendwo da draußen herum. Man kann nur beten, dass sie nichts angestellt haben.«
    »Ob wir nicht doch die Polizei einschalten sollten?«
    »Frau Kratzler, jetzt warten wir erst einmal ab.« Gustav ballte seine Faust. »Elsa kann was erleben, wenn ich sie in die Finger kriege!«
    »Erlebt sie nicht schon genug«, flüsterte ich kaum hörbar.
    »Was hast du gesagt, Karl?« Seine Stimme war nun ebenso bedrohlich wie seine Hand.
    »Nichts. Gar nichts.«
    Er starrte mich an. Ich erwiderte seinen Blick und öffnete die Pforte zur Hölle. ›Ich will ihn leiden machen.‹ In diesem Moment verstand ich die Bedeutung der Worte, die Vera Mirberg einst in einer Den Haager Badewanne gesprochen hatte. Ich zückte das rostige Messer. Ob Gustav in meinen Augen sehen konnte, dass ich ihn abschlachtete wie ein Schwein?
    »Da«, schrie Frau Kratzler, das Gesicht gegen die Fensterscheibe gepresst. Blutend sank eine winzig kleine Miniatur von Gustav Gröhler auf den

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