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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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erschütterte sie. Sobald das Telefonat beendet war, wollte sie alles ringsum in Ordnung bringen. Endlich bewegte sich etwas, endlich konnte sie Gas geben. Sie schaute an die Zimmerdecke ihres Büros und stieß ein lautloses Dankeschön aus.
    Der Fleischdozent redete mit ihr, doch sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie war baff – es hatte ihr die Sprache verschlagen, und ihr stockte der Atem. Er erzählte ihr gerade ausführlich, wie sie Kontakt zu ihm geknüpft und energisch Jagd auf ihn gemacht hatten – beide hatten sich abwechselnd an ihn herangepirscht und ihn ins Freie getrieben.
    »Dieser Mann macht niemals Pause«, sagte der Fleischdozent. »In Göteborg haben wir ihn um einen Tag verpasst. Er war schon unterwegs nach Brüssel. Wir riefen das Restaurant an, das er hätte testen sollen, und erfuhren, dass er es sich anders überlegt hatte – wegen eines Notfalls, hieß es – und dass er nach Paris zurückgefahren sei. Sie waren sehr verärgert. Sie wollten ihm ein Trüffelsoufflé kredenzen, das sie wochenlang perfektioniert und in das sie viel Zeit und Geld investiert hatten. Natürlich waren sie da sauer. Ziemlich taktlos von ihm. Jedenfalls haben wir dann gleich wieder Kontakt mit der Zeitschrift aufgenommen, aber man hat uns die Telefonnummer erst ein paar Tage später gegeben, ich musste richtig darum betteln, und dann hieß es, er sei gerade zu seiner Mutter gereist. Also versuchten wir es in Italien, und dann verloren wir ihn eine Weile aus den Augen. Es sah dann so aus, als sei er auf dem Weg nach Holland oder London, doch dann war er plötzlich wieder in Paris, oder vielleicht war es auch umgekehrt. Ziemlich umtriebiger Typ! Zu guter Letzt riefen wir ihn jeden Abend zu Hause an, bis wir ihn eines Abends endlich erreichten. Es war schon fast Mitternacht, und er war entsprechend verärgert und schrie mich sogar an. Ich muss Ihnen sagen, Elsa, dass ich an so was nicht gewöhnt bin. Aber um Ihretwillen habe ich es ertragen. Was hätte ich tun sollen? Schließlich hat mir sein Redakteur gesagt, dass sie an einer Sondernummer arbeiten – erstmals begutachten sie Restaurants im früheren Ostblock. So sagte er dazu, Ostblock , als handelte es sich um Fidschi oder Kathmandu. Mir war nicht bewusst, dass das Wort immer noch benutzt wird.
    Jedenfalls hatte ich ihn immerhin am Telefon, und schließlich schrie er nicht mehr und bat mich, ihn in Ruhe zu lassen, und hängte ein. Doch als ich ihn am nächsten Morgenwieder anrief – in aller Herrgottsfrühe, noch vor dem Frühstück –, war er keineswegs besser gelaunt, das kann ich Ihnen sagen – aber zumindest ließ er mich ausreden. Er sagte, er habe mit seinem Redakteur gesprochen und erkläre sich bereit zu kommen, wenn wir ihn nicht mehr dauernd anriefen. Ich gab ihm Name und Telefonnummer und rief nicht mehr an. Einen Tag später meldete sich der Redakteur und gab die Reiseroute durch. Ein Artikel über traditionelle ungarische Küche könnte für die Leser interessant sein, meinte er. Ihm gefiel auch, dass Ihr Restaurant traditionelle Küche mit einem exklusiven Ambiente verbindet. Wir haben ihm erklärt, dass Sie eine Künstlerin sind! Dass Die Tulpe keinen Stilmix betreibt, sondern eine authentische, ursprüngliche Küche bietet. Wir haben auch erwähnt, dass Sie zur Haute Cuisine zählen und für die Silberne Suppenkelle in Betracht kommen. An dieser Stelle muss ich Ihnen gegenüber offen sein, mein Liebes: Der Redakteur reagierte spöttisch. Ich ging nicht auf ihn ein. Er wird schon sehen! Wie dem auch sei, der Kritiker kommt nächste Woche in unser Institut. Wir zeigen ihm alles und kommen dann direkt zu Ihnen. Danach ist er bei uns Sommergast am Plattensee – die Thermalbäder warten auf ihn. Vielleicht könnten auch Sie für ein Wochenende kommen – was meinen Sie?«
    Elsa war aufgestanden und hatte ihren Stuhl weggeschoben. Sie ging in ihrem Büro auf und ab. Sie war sprachlos. Sie betrachtete das Foto des Kritikers in der letzten Ausgabe des Gourmand, und dann betrachtete sie sich im Spiegel. Sie strich sich das Haar glatt und presste die Lippen aufeinander. Das Einzige, was ihr einfiel, war, Lächeln zu üben. Sie stellte den Kopf schräg und übte. Sie dachte nicht an die heruntergekommene Küche und auch nicht daran, dass die Silberne Suppenkelle in ebenso weiter Ferne warwie der Michelin-Stern. Im Moment fiel ihr nichts anderes ein, als dem Mann, der in ihrer Fantasie vor ihr stand, die Hand zu reichen.
    Was ist nur mit mir los? , dachte

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