Elsas Küche: Roman (German Edition)
sie wohl vorhatte. Elsa führte sich vor Augen, was auf dem Spiel stand: Der Restaurantkritiker kam, und Le Gourmand würde ihre Tulpe besprechen.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen und werde Sie jetzt vor die Wahl stellen«, verkündete sie etwas leiser als zuvor.
Der Küchenchef drehte sich um und sah ihr mit geschwellter Brust ins Gesicht. Die beiden Köche stießen sich mit den Ellenbogen an und kicherten über ihn. Der Tellerwäscher kam herbei, das Messer immer noch gezückt.
»Welche Wahl?«, fragte der Küchenchef.
»So geht es nicht«, sagte Elsa und sah sie alle an. »So geht es ganz und gar nicht. Ich habe zehn Jahre damit verbracht, dieses Restaurant aus dem Nichts aufzubauen, und man hat mir gerade mitgeteilt, dass Le Gourmand nächste Woche hierherkommt.« Sie sah Dora und den Küchenchef an. »Sie beide haben die Wahl, entweder sofort zu gehen oder noch eine Woche hier weiterzuarbeiten und mir zu helfen, dem Kritiker ein Mahl aufzutischen, das er nie mehr vergisst. Wenn Sie bleiben und Ihre Sache gut machen, alles so machen, wie ich es sage, dann bekommen Sie eine Abfindung. Wenn Sie sofort gehen, bekommen Sie nichts. Sie sind beide gefeuert, aber ich kann Sie noch ein Weilchen gebrauchen, alles andere wäre eine Lüge.«
»Warum sollte ich hier noch bleiben?«, platzte Dora heraus. Jetzt war ihr Gesicht rot und geschwollen. Sie hatte ein paar Tränen vergossen, ihre Mascara und ihr Lidschatten waren verschmiert. Der Duft nach gezuckerten Kirschen lag immer noch in der Luft, doch brannten sie allmählich an, und es roch bereits ein wenig danach.
Die Köche lachten über das Bild, das sie mit ihrem flachsfarbenen Haar und den schwarzen Augen abgab, doch Dora war das egal. Sie war empört darüber, dass Elsa sie angeschrien hatte, und hatte entschieden, dass es ihr endgültig reichte. Eigentlich hatte sie schon nach dem ersten Monat kündigen wollen, und sie versuchte seit Wochen, den Küchenchef zu ermuntern, mit ihr fortzugehen. Sie hatte eigene Pläne und eigenes Geld – von fleißigen Eltern, die wollten, dass sie erst ein wenig Übung bekam, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründete. Sie war nur so lange geblieben, weil der Küchenchef ihr half, ihre Bedenken zu überwinden, dass sie zu jung und unerfahren sei. Jetzt, da sie angeschrien worden war, konnte sie nichts mehr halten. Sie wollte schon die Schürze ausziehen, als der Küchenchef ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter legte. Er dachte an seine eigene Zukunftsvision.
»Er wird auch über uns schreiben«, sagte er zu Dora. »Wenn wir unsere Sache gut machen, kommen wir alle in seinem Artikel vor. Das könnte uns nützlich sein.«
Dora dachte nach.
»Wir haben alle etwas davon«, sagte Elsa. »Aber danach müssen Sie beide gehen.«
Der Küchenchef nickte. »Ich will hunderttausend Forint und eine volle Woche Gehalt für jeden von uns beiden.«
»Gut«, sagte Elsa. Es ging ihr nicht ums Geld. »Alles muss genau so zubereitet werden, wie ich es sage.«
»Gut«, sagte der Küchenchef.
»Und Sie?«, sagte Elsa zu Dora.
Nur allzu gerne hätte Dora die Ältere in eine peinliche Lage gebracht, doch sie war klug genug zu erkennen, dass einhunderttausend Forint und ein Wochengehalt besser waren, als mit leeren Händen fortzugehen. Also nickte sie. »Ja, Chefin«, sagte sie.
Elsa wandte sich an die beiden Köche und an den Tellerwäscher.
»Wenn die beiden weg sind, bekommt ihr eine Gehaltserhöhung. Ihr sollt aber wissen, dass ich eure Unzuverlässigkeit und das Chaos in der Küche nicht länger dulde. Wenn ihr eine Zigarettenpause macht, dann macht die Tür hinter euch zu. Wenn ihr etwas verschüttet, wischt es auf. Wenn ihr euch nicht bessert, geht es euch wie diesen beiden. Ist das klar? Ich will, dass die Küche auf der Stelle sauber gemacht wird, und zwar gründlich.«
Die beiden Köche blickten auf ihre Fußspitzen. »Ja, Chefin«, sagten sie.
Der Tellerwäscher schüttelte sich vor Lachen. »Eine Gehaltserhöhung!«, sagte er. »Eine Gehaltserhöhung!«
Dann ging Elsa ins Restaurant und hielt den Kellnern eine Standpauke. Sie mussten ihre Krawatten geradeziehen und dann die Spiegel und ihre Schuhe blank putzen. Mit einem Schlag war der sechswöchige Wahnsinn des Sommers zu Ende, und sie hatte wieder die Kontrolle. An diesem Abend ging sie mit einem guten Gefühl nach Hause. Sie duschte und kämmte sich. Sie fühlte sich frei und voller Hoffnung. Wenn sie träumte, rannte sie nicht mehr davon, und sie streckte
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