Elsas Küche: Roman (German Edition)
nur bedingt.«
Der Kritiker schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte. Die Assistenten ließen ihn los.
»Ja, natürlich«, sagte er. »Natürlich. Haben Sie vielen Dank.«
Er ging zu seinem Spaniel und kraulte ihn hinter den Ohren. Er hockte sich neben ihn und flüsterte auf ihn ein.
»Mein Liebling«, sagte er, und einen Moment lang versagte ihm die Stimme kläglich. Er dachte daran, wie er Isabelle an der Seine spazieren geführt und in Hundeparks gebracht hatte, wo sie die Annäherungsversuche der Straßenköter ebenso zurückgewiesen hatte wie die der Menschen.
»Mein Liebling, wo ist dieser Hundesitter nur mit dir hingegangen? Warum bist du durch Saint-Denis spaziert wie eine gewöhnliche Prostituierte? Warum hat er dich dorthin gebracht, wo du im Schmutz und Kot der menschlichen Existenz niedergestreckt wurdest? Warum ist er nicht mit dir in den Park gegangen? Oder auf den Friedhof bei uns um die Ecke? Was hattest du so weit weg verloren?«
Der Kritiker schlug sich auf die Handfläche und stellte sich das Gesicht des Hundesitters vor. Dann schüttelte er den Kopf, küsste seine geliebte Hündin und massierte ihr die Vorderpfoten. »Seit acht Jahren sind wir unzertrennlich. Seit acht Jahren sind wir die wunderbarsten Kameraden«, sagte er. »Bis auf meine Mama bist du die einzige Frau in meinem traurigen, einsamen Leben gewesen ...«
Isabelle sah mit feuchten, traurigen Augen zu ihm auf. Sie scharrte noch einmal in der Luft und sah aus, als würde sie auch gleich weinen, doch dann seufzte sie nur.
»Ich weiß nicht, wie ich ohne dich weiterleben soll, mein Liebling«, sagte er. »Du hast mir Seelenfrieden gegeben. Du hast mein Herz erwärmt und mich gerettet, Isabelle. Du allein hast mich vor einem leeren Leben bewahrt.«
Der Spaniel blickte den Tierarzt an und sah aus, als runzelte er die Stirn. Auf einen Wink des Arztes ließen die Assistenten den Kritiker mit dem Hund allein.
»Ich weiß nicht, wie ich jetzt weiterleben soll.«
Isabelle hechelte. Sie gurgelte und scharrte. Sie bettelte, hochgehoben zu werden. Der Kritiker nickte, bettete sie vorsichtig in seine Arme, hob sie an sein Gesicht und küsste ihren Kopf. Er spürte ihr weiches Fell und entsann sich, wie herrlich es immer gewesen war, mit den Fingern durch dieses Fell zu gleiten und zu spüren, wie sie erzitterte. Er hob sie noch höher, bis sie sich in die Augen sehen konnten. Isabelle leckte ihn ab. Ihre kleine rosa Zunge fuhr kurz über seine Lippen. Er erwiderte den Kuss. Dann weinte er hemmungslos. Isabelle winselte.
»Ich liebe dich«, sagte er – als sei das nicht überdeutlich –, und dann rief er den Tierarzt.
Als das arme Geschöpf endlich eingeschläfert worden war, saß der Kritiker noch lange neben ihrem Körper und streichelte ihn. Der Tierarzt und die Assistenten ließen ihn eine Dreiviertelstunde gewähren – bis zum nächsten Patienten. Als die Zeit um war, erschien eine hübsche, zierliche Sprechstundenhilfe, die eigens eingestellt worden war, um die Hinterbliebenen aus dem Operationssaal zu bugsieren. Sie hatte Formulare dabei und einen Urnenkatalog und führte den Kritiker behutsam am Arm hinaus.
»Sie haben unser ganzes Mitgefühl«, sagte sie sanft. »Ein unvorhergesehener Todesfall ist immer sehr schmerzlich. Glücklicherweise haben wir ein spezielles Pauschalangebot, das Ihren Schock lindern helfen mag. Für 700 Euro kümmern wir uns um alles und bringen Isabelle in einer schönen Urne unter. Sie müssen und werden nicht ohne sie leben! Sie wird immer bei Ihnen sein und Ihnen antworten.Aber das Pauschalangebot gilt nur noch eine Woche lang, wenn Sie also Interesse haben ...«
Der Kritiker blätterte den Urnenkatalog durch und winkte sie zu sich.
»Die hier«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Die aus weißem Porzellan mit den Pfauen. Das hätte ihr gefallen. Sie hat gerne Vögel gejagt ... und Eichhörnchen ... und Frösche ... und manchmal kleine Kinder.«
»Ja, kein Problem«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Ausgezeichneter Geschmack. In ein paar Tagen können Sie die Urne abholen. Wenn Sie wollen, können wir sie Ihnen natürlich auch liefern.«
Der Kritiker schüttelte den Kopf und vereinbarte, dass er die sterblichen Überreste selbst abholen kam. Dann stürmte er hinaus und nach Hause. In seiner Wohnung erinnerte ihn alles an Isabelle. In der Küche stand ihr kleiner roter Napf, auf ihrem Platz am Fenster lag das herzförmige Kissen. Auf dem Sofa lag ihr Kauspielzeug. Er ließ sich aufs
Weitere Kostenlose Bücher