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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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Sofa fallen, nahm das Spielzeug in die Hand und drückte es zusammen. Es gab einen Ton von sich, eine Mischung aus Keuchen und Pfeifen: der letzte Atemzug eines sterbenden Tiers. Ein Todesröcheln. Der Kritiker warf das Spielzeug beiseite. Er klopfte mit den Füßen und blickte in der Wohnung umher. Es herrschte Totenstille, und er vermisste bereits das Klimpern von Isabelles Halsband und das Geräusch ihrer Krallen auf dem Parkett.
    Der Kritiker kam sich verloren vor, als würde er auf hoher See hin und her geworfen. Er wusste nichts mit sich anzufangen, konnte sich aber auch nicht entspannen. Seine Gefühle waren unberechenbar. Als das Telefon klingelte, hob er nicht ab. Er wusste, dass es nur wieder diese furchtbaren Männer waren. Er stand auf, verließ die Wohnungund streifte in der Stadt umher. Er lief zum Ostbahnhof. Er wollte eine Fahrkarte für den nächstbesten Zug kaufen, ließ es dann aber bleiben. Stattdessen ging er in eine Kneipe, und dann in die nächste und dann in noch eine und noch eine. Am Ende blickte er auf und war kaum überrascht, dass er in der Rue Saint-Denis angelangt war.
    Es war spät am Abend, und er stolperte den Gehsteig in Saint-Denis entlang und lugte in die Hauseingänge. Auf der Straße stauten sich die Autos, und Zuhälter und Frauen kamen aus den Häusern und steckten die Köpfe in die Autofenster. Er schlurfte die Straße hinunter und sah sich die Gesichter der Frauen an. Eine fiel ihm besonders ins Auge: Wie alle anderen trug sie ein Lederbustier und einen Minirock, hatte aber im Unterschied zu ihnen ein spitzes Gesicht und trug über ihrer Arbeitskleidung eine Pelzstola, die dieselbe Farbe hatte wie Isabelles Fell. Er blieb stehen und betrachtete sie. Dann strich er mit den Fingern darüber.
    »Sie heißen nicht zufällig Isabelle?«, fragte er.
    Sie sah ihn verdutzt an, sah, dass er betrunken war, und zuckte die Achseln.
    »Klar doch, Süßer«, sagte sie. »Wie seltsam. Kennen wir uns denn? Möchten Sie feiern?«
    Der Kritiker blickte wieder auf die Stola und hatte das Gefühl, seine Isabelle schicke ihm eine Botschaft. Sie trat mit ihm aus dem Jenseits in Verbindung und war vielleicht in diese Frau gefahren. Er sah sie sich näher an. Sie hatte die gleichen traurigen braunen Augen wie seine Isabelle. Auch ihre feuchte Nase ähnelte verblüffend der Schnauze von Isabelle. Den Namen auf der goldenen Halskette übersah er geflissentlich – wahrscheinlich war sie geliehen. Die Frau wandte sich ab und ging in ein Haus. Dann drehte sie sich um und forderte ihn auf, ihr zu folgen. Der Kritikerrieb sich den Bart und trat ebenfalls in das Haus. Im Eingang stand ein großer Afrikaner mit einem wütend wirkenden Hund an der Leine. Der Mann hielt die Hand hoch.
    »Was wollen Sie?«
    »Ich will Isabelle«, sagte der Kritiker und gab der Frau in der Pelzstola ein Zeichen.
    »Sie meinen Michele? Die kostet 150 Euro«, sagte der Afrikaner.
    Der Kritiker reichte ihm ein Bündel Bargeld und steckte das Wechselgeld ein. Er wurde hereingelassen und folgte der Stola über den Hof in eine Wohnung. Er stellte sich vor, wie sich der Pelz auf seiner Wange anfühlen würde. Er folgte ihm durch die Wohnung ins Schlafzimmer.
    »Hat Isabelle Sie geschickt?«, fragte er leise.
    »Huh-huh. Klar doch, mein Süßer«, erwiderte Michele. »Sie hat zu mir gesagt, ich soll alles machen, was Sie möchten. Sind Sie sicher, dass Sie in ihrem Zustand überhaupt können?«
    Sie nahm die Stola ab und warf sie auf einen Stuhl. Der Kritiker sah ihr hinterher, beinahe in der Erwartung, sie würde angerannt kommen und an seinem Schienbein kratzen. Doch die Stola rührte sich nicht und blieb leblos liegen. Er ging hin, hob sie hoch und strich sich damit über die Wange. Es war nur ein billiger Kunstpelz. Nicht zu vergleichen mit Isabelle, doch er behielt ihn trotzdem in der Hand und wandte sich an die sich ausziehende Frau.
    »Stört es Sie, wenn ich das hier in der Hand behalte?«, fragte er.
    »Bisschen pervers«, sagte sie. »Aber wenn Sie wollen. Machen Sie ihn bloß nicht schmutzig, es ist mein Einziger.«
    Sie öffnete den Reißverschluss ihres Oberteils, aber bevor sie ihn ganz aufgezogen hatte, setzte er sich ans Fußendedes Betts und fing an, von seinem kleinen Spaniel zu erzählen, der echten Isabelle, die manchmal heulte. Sie hörte ihm zu, während sie das Oberteil fallen ließ, und fragte ihn dann, ob sie für ihn heulen solle.
    »So was kostet nämlich extra«, sagte sie.
    Als er keine Antwort gab, zuckte

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