Elsas Küche: Roman (German Edition)
Oberkellner versuchte, ihn vom Fenster wegzuziehen, was aber nicht möglich war, ohne ihm wehzutun. Die beiden anderen Jungen stachelten ihn an. Sie kicherten, er solle weitermachen. Der Junge fing an, die Scheibe abzulecken, und stöhnte dabei. Die Stammgäste, die versucht hatten, ihn zu ignorieren, ließen die Speisekarte sinken und sahen voller Unbehagen zu.
Der Wachtmeister mit dem Motorrad sah den Postinspektor an.
»Für Elsa ist das ganz und gar nicht gut«, sagte er.
Er nahm die Serviette vom Schoß und warf sie wütend auf den Tisch. Er stand auf und begab sich zum Fenster. Als die Jungen ihn sahen, schrien sie und stoben davon wie erschrockene Finken. Sie verschwanden im Dunkeln, und der Wachtmeister ging an seinen Tisch zurück. Elsa war froh, dass er da war, das musste sie zugeben.
»Tut mir leid«, sagte der Wachtmeister in holprigem Englisch zum Kritiker. »Wir haben hier Zigeuner, wissen Sie.«
Der Kritiker nickte und dachte an die Totengräber, die in Rom den Sarg seiner Mutter in die Grube hinabgelassen hatten. Er merkte, dass er plötzlich feuchte Augen bekam. Er konzentrierte sich auf seinen Teller. Er schnitt noch ein Stück von dem Fleisch ab, ein etwas größeres diesmal, und steckte es in den Mund.
»Sehr zart«, sagte er. »Sehr, sehr gut.«
Elsa lächelte. Der Kritiker kaute und kaute, doch dann sah er sie fragend an. Elsa drehte sich instinktiv um, weil sie sehen wollte, ob die Jungen wieder da waren.
»Was ist?«, fragte sie. »Was ist los?«
»Sie haben gesagt, das Fleisch sei in Wein mariniert«, sagte der Kritiker. »Mich hat interessiert, wie sich das geschmacklich mit dem Sauerrahm und dem Dill verträgt.«
»Ja, das stimmt«, sagte Elsa. »Die Weißweinmarinade habe ich selbst zubereitet.«
Der Kritiker schüttelte den Kopf.
»Meine Liebe, dieses Fleisch lag nur in Pökellake«, sagte er. »In schlichter Lake. Verstehen Sie mich nicht falsch, es hat gut geschmeckt. Nur ist es nichts Besonderes. Gänseleber auf Polenta, das war originell. Und die Dillsoße ist auch sehr gut. Doch das Hauptgericht ist genießbar, aber nicht außergewöhnlich.«
Es war ein Schlag in die Magengrube. Elsa hatte das Gefühl, in ihren Stuhl hineingedrückt zu werden. Sie blinzelte und holte tief Luft. Sie wollte etwas sagen, doch aus ihrem offenen Mund kam kein Laut. Ihr stockte der Atem. Der Kritiker aß weiter. Sie beobachtete, wie er ab und zu innehielt und vergnügt seine Serviette zusammendrehte. Es schmeckte ihm. Sie hatte es immer gewusst. Warum konnte er es ihr nicht sagen?
»Doch, sehr gut«, sagte er. »Die Soße ist ausgezeichnet. Trotzdem ist es nur ein Schweineschnitzel.«
Sie sah den Küchenchef durch die Küchentür spähen. Sie entschuldigte sich und ging zu ihm.
»Elsa«, flüsterte er ihr zu, »ich kann dir alles erklären.«
»Du«, knurrte sie, riss ihm die Kochmütze vom Kopf und schlug damit ein paarmal nach ihm. Um sich zu schützen, nahm er die Hände hoch. »Das hast du extra gemacht! Du elender Saboteur!«
Er fiel nach hinten, auf Doras Arbeitsplatz, und traf dabei mit dem Ellenbogen den Nachtisch, der für den Kritiker bereitstand. Das vorbereitete Quarksoufflé knallte auf den Boden. Alle in der Küche unterbrachen ihre Arbeit und sahen nach, was geschehen war. Der Tellerwäscher, die beiden Köche, Dora, sogar der Küchenchef und Elsa hielten inne.
»Mist«, sagte der Koch.
»Schlimm«, sagte der Tellerwäscher.
»Elsa, was die Schweinelende angeht – wir waren spät dran. Die Leute, die du eingeladen hast, kamen zu früh. Und diese Idioten haben die Lende rausgegeben«, sagte der Küchenchef und zeigte auf die beiden Köche. »Als wir kamen, mussten wir schnell etwas herzaubern. Es ging nicht anders, ehrlich.«
»He«, sagte der fiese Koch und ging auf den Küchenchef zu. »Wir können nichts dafür! Hier war keiner, und wir hatten keine Anweisungen. Auf dem Fleisch war kein Schild, und diesmal wollten alle Gäste die Schweinelende.«
»Raus!«, schrie Elsa den Küchenchef an. »Raus, und zwar sofort!«
Dora ging als Erste und stürmte durch die Gaststube. Soll sie doch ihren Dreck alleine machen , dachte sie. Sie war froh, dass sie fertig war. Doch der Küchenchef zögerte noch: Er versuchte weiterhin, die Sache zu erklären, und gab erst auf, als er endlich verstanden hatte, dass Elsa ihm nicht zuhörte. Er entschied, dass ein glatter Bruch das Beste war, und rannte hinter Dora her.
Elsa stand da, sah die Köche an und war den Tränen nahe. Sie
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