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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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tupfte sich die Augen mit einem Geschirrhandtuch ab und stieß einen Seufzer aus, bei dem es einem kalt über den Rücken lief. Die Männer standen angespannt da, während sie um Fassung rang. Danach drehte sie sich um und ging zurück in die Gaststube.
    »Ich wusste auch nichts davon!«, rief der Tellerwäscher ihr nach. »Elsa, liebe Elsa, es tut mir so leid. Ich habe sauber gemacht und nichts anderes mitgekriegt.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Kritiker, als sie sich wieder zu ihm gesetzt hatte. Er blickte sich dauernd nach der Küche um. Elsa sah, dass er fertig gegessen hatte und dass es ihm geschmeckt hatte.
    »Was war das für ein Geschrei? Wer waren diese Köche?«
    »Ich hab sie gefeuert.«
    Der Kritiker überlegte. Die Frau tat ihm ein wenig leid. Es war an der Zeit, das Spiel zu beenden – allen zuliebe.
    »Ich weiß nicht genau, was hier heute Abend vorgefallen ist«, sagte er, »und auch wenn das Essen gut ist, mussIhnen bewusst sein, dass es sich nicht um Haute Cuisine handelt. Ich weiß nicht, was ich groß schreiben soll. Lokale wie dieses berücksichtigen wir eigentlich nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch – es hat sehr gut geschmeckt. Traditionelle, volkstümliche Küche, ein großartiges Restaurant. Aber die Speisen sind schlicht – meine verstorbene Mutter hätte so kochen können. Erlauben Sie, dass ich den Nachtisch auslasse und ins Hotel zurückgehe? Ich bin auf einmal sehr müde.«
    Elsa nickte nur noch, sie war selbst sehr müde.
    Der Kritiker stand auf, und die Dozenten erhoben sich ebenfalls. Der Kritiker legte ihr die Hand auf die Schulter. Elsa stand auf. Sie gingen alle zum Ausgang und traten auf die Straße hinaus.
    »Nicht jedes Restaurant muss berühmt sein«, sagte er. »Wozu denn? Ihr Essen war gut, es hat mir geschmeckt. Und Sie haben viele Gäste – reicht das nicht? Vielleicht können wir darüber schreiben, wenn wir ein Sonderheft über Hausmannskost machen. Sie haben meine Kolumne gelesen, nehme ich an. Ich kann das Lokal da unmöglich aufnehmen. Ich kann es auch nicht für die Silberne Suppenkelle empfehlen – tut mir leid.«
    Es war warm draußen. Elsa fiel nichts dazu ein. Sie dachte, sie müsste etwas sagen. Ihre Dozenten sahen enttäuscht aus. Sie hatten sich so sehr bemüht und an diesem Abend so viel ertragen. Elsa öffnete den Mund und wollte gerade etwas sagen, als eine Stimme ertönte.
    »He, Fettsack!«, rief einer. Die drei kleinen Jungen waren wieder aus der Dunkelheit aufgetaucht. »Geld. Bitte. Geld. Du bist so dick, und wir sind so mager!«
    »Das ist wie im Irrenhaus!«, sagte der Kritiker. »Ich muss mich ausruhen.«
    Die Dozenten winkten, um dem Chaos zu entgehen, ein Taxi herbei, und die drei Männer wollten einsteigen, doch die Kinder standen im Weg, und der Taxifahrer musste aussteigen und sie wegschubsen.

    »Haut ab!«, schrie Elsa die Kinder an und zerrte sie vom Taxi weg. Sie waren wie Bienen, die um eine Blume herumsummten.
    »Gute Nacht, meine Liebe«, riefen die Dozenten ihr aus dem Taxi zu. »Morgen früh vor der Abfahrt rufen wir an.«
    »Fettwanst! Geld. Bitte.«
    Die Männer schlugen die Wagentüren zu und fuhren davon. Elsa bemerkte den mitleidigen Gesichtsausdruck des Soßendozenten. Die Kinder jagten dem Wagen kurz hinterher, bis das Taxi um die Ecke verschwunden war. Sie lachten und kicherten, als gäbe es etwas zu feiern. Dann richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf Elsa.
    »He, Restaurantmadam«, sagten sie. »War der Ausländer gemein zu dir? Das war ein Fettsack. Kannst du uns was geben? Du bist doch keine stinkige Hexe. Bitte!«
    Der älteste Junge packte sie am Arm und riss daran. Elsa schnaubte. Das war einfach zu viel. Sie genierte sich. Ihr Traum war dahin. Ihre Köche waren weg. Sie wusste nicht, wie sie weitermachen sollte.
    »Bitte, Restaurantmadam, gib uns Geld. Oder ein bisschen Essen.« Der Junge zerrte noch stärker an ihrem Arm. Die anderen wedelten mit den Händen vor ihrem Gesicht, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Verschwindet sofort!«, schrie sie, gab dem Kleinsten einen Schubs und schwang ihren Arm wild hin und her.
    Sie schwang ihn mit aller Kraft, mit der ganzen brodelnden Wut, die sich an diesem Abend in ihr aufgestaut hatte. Der große Junge, auf den ihr Arm zielte, sah ihn weiß aufblitzen und duckte sich. Er blickte auf und sah ihn über sich hinwegrauschen – wie der Flügel eines Vogels im Sturzflug. Aus der Hocke folgte er ihm mit den Augen und sah, wie er im Gesicht seines kleinen Cousins

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