Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Ignorant. Zu groß und abgehoben für die kleinen, schmutzigen Dinge des menschlichen Alltages: Er hat uns alle einfach im Stich gelassen.
Irgendwann, weit außerhalb jeder Ortschaft, zügelte Robin das Pferd und verlangsamte ihren Ritt bis auf ein sehr gemäßigtes Schritttempo. Er begann wieder intensiver, sich nach allen Richtungen umsehen. Mit gesenkter Stimme erklärte er Jesco: "Ludwig und Georg könnten hier irgendwo auftauchen. Wir kommen zwar von der anderen Seite, nicht an ihrem Quartier vorbei, aber wenn ein dummer Zufall es will... Matthias und Friedrich, die anderen beiden, die waren beinah so etwas wie meine Freunde. Matthias ist von ihm bewusst in den Tod geschickt worden, das weiß ich jetzt. Und Friedrich... an ihn hätte ich mich zuerst gewandt, mit diesem Buch... Ich hätte ihn vielleicht auf meine Seiten bringen können. Aber auch Friedrich ist nun fort. Keine Ahnung, was mit ihm geschehen ist..."
Wieder spürte Jesco Robins Zittern. Der Gedanke an das Schicksal der beiden Männer, mit denen sein rothaariger Begleiter augenscheinlich einige Zeit verbracht hatte, erschütterte den jungen Mann merklich. Und Jescos Fokus driftete nicht zum ersten Mal auf diesem Ritt zu der rätselhaften Person, die Robin seinen "Herrn" genannt hatte. Zu diesem Mann, dem, nach Robins Bericht, alle moralischen Grenzen unbekannt waren. Und der ohne jeden Skrupel nach Belieben Menschen für seine Zwecke benutzte oder ihr Leben willkürlich auslöschte. Er konnte nicht verleugnen, dass der Knoten, den er in seiner Magengegend spürte, auf die in ihm schwelende Angst zurückzuführen war. Nie zuvor hatte er sich einer solchen Person gegenübergestellt gesehen, nicht einmal in seinem finstersten Albtraum. Zumal dieser Mann nach Robins Erzählung über irgendeine Art starker, geistlicher Macht verfügte, die Jesco nicht nur rätselhaft, sondern auch äußerst gefährlich erschien.
Und der andere, dem er bereits zweimal begegnet war, Robert Adlam, kam ihm nicht wirklich harmloser vor. - Worauf ließ er sich ein, wenn sie gemeinsam Robins noch auf wackligen Beinen der Angst stehenden Plan ausführen sollten, diesen Mann aus seiner Gefangenschaft zu befreien?
Jesco schluckte und rief sich, leider ohne durchschlagende Kraft, zur Ruhe. Er hatte selbst gesehen, dass es sich bei Robert Adlam trotz allem, was Robin über ihn berichtete, um nichts weiter als einen Menschen handelte. Und ebenso würde es sich mit Robins so genanntem "Herrn" verhalten: Menschen aus Fleisch und Blut. Geschöpfe nur, niemals stärker oder auch nur entfernt so stark wie ihr Schöpfer. Gott besaß die Kontrolle. Der Vater kannte alle seine Werke, ohne Ausnahme.
Auf ihrem folgenden Ritt durch auf einer Wiese locker verteilt stehender Bäume hindurch begegnete ihnen niemand. Von Weitem war zwischenzeitlich ein einsames Gehöft zu erkennen, das jedoch bald wieder aus ihrem Sichtfeld verschwand. Sie erreichten ein alleinstehendes, scheinbar verlassenes, altes Haus, das aus einiger Entfernung aufgrund der großen Anzahl umstehender Bäume kaum erkennbar war.
Robin bat Jesco, abzusitzen und stieg anschließend selbst vom Pferderücken. Er band das Tier an einen Baum und beeilte sich, schnell mit Jesco in dem Haus zu verschwinden. Das Innere entpuppte sich als ebenso leer und unwohnlich, wie das Äußere bereits suggerierte.
"Hier haben Georg und Ludwig keinen Zutritt", erklärte Robin mit leiser Stimme, als befürchte er trotzdem, von feindlichen Ohren gehört zu werden. "Ich allein darf in die Nähe des Gefangenen. So hat er es angeordnet."
In diesen grauen, tristen Räumen existierte mehr als nur die Leere, das spürte Jesco beim ersten Schritt über die Schwelle. Plötzlich flackerte die bereits unterwegs mühsam in Zaum gehaltene Unruhe heftig in ihm auf. Und der Gedanke, dass Gott ihm an diesem Ort keinesfalls beistehen könne, schoss durch sein Gehirn und wollte dort hartnäckig Wurzeln schlagen. Ja, dunkel war es hier. Es fehlte nicht an Fenstern und hereinfallendem Sonnenschein, doch konnten die Strahlen der Sonne nicht diejenige Finsternis auslöschen, die unsichtbar alles um ihn herum zu erfüllen schien, und die sogar in ihn selbst durch alle Poren der Haut eindrang.
Jesco hatte bereits diverse geistliche Strömungen und Untertöne in den Häusern verschiedener Menschen latent wahrgenommen, aber eine derart starke, negative Kraft war ihm noch nie begegnet. Er kämpfte gegen die Lüge an, an diesem Ort von Gott völlig verlassen zu
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