Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Zeiten vertraute Gefühl tief in seinem Inneren auf. In seinem alten Leben hatte die Erwartung eines harten Kampfes ihn geradezu berauscht. Und eine Spur des alten Nervenkitzels stieg nun unerwartet in ihm wieder hoch. Im selben Moment erschienen vor seinem geistigen Auge Bilder aus den finsteren Gassen der Stadt, von verschwitzten, blutenden Körpern und in Hass erstarrten Gesichtern: Erinnerungen des Schreckens, die er am liebsten bereits vergessen hätte.
Jon machte einen kräftigen Satz auf ihn zu, das Messer erhoben. Jesco duckte sich zur Seite weg und wollte seinen Gegner mit einem Tritt gegen das Schienbein aus dem Gleichgewicht bringen, doch Jon reagierte rasch. Er wich Jescos Attacke aus und im nächsten Moment sauste die scharfe Klinge mit einem Zischen bedrohlich am linken Ohr des Malers vorbei. Jesco wollte Jons rechten Arm zu fassen bekommen und ihm das Messer entwinden, doch er war nicht schnell genug. Jon sprang im letzten Moment zur Seite, um gleich darauf wieder laut brüllend auf ihn zuzustürzen.
Doch mitten im Spurt knallte es, Jons Kopf ruckte plötzlich nach vorn und das Kinn fiel auf seine Brust. Doch die Wucht seines in schneller Bewegung befindlichen Körpers trieb ihn noch einen weiteren Schritt nach vorn, bis er mit einem Mal völlig erschlaffte und vornüber sackte. Jesco konnte sich mit einem Satz zur Seite gerade noch in Sicherheit bringen, bevor das Gesicht seines Angreifers ungebremst auf den harten Boden knallte. Direkt neben Jon polterte etwas zu Boden, das Jesco im ersten Moment für ein braunes Päckchen hielt. Doch im nächsten Augenblick erkannte er, dass es sich um einen nicht sehr großen, dafür aber sehr harten Koffer handelte, der Jons Hinterkopf getroffen hatte. Der Verschluss des Koffers hatte sich bei dem kräftigen Aufprall geöffnet und gab den Blick auf eine Menge gebündelter Geldscheine frei. Einige der Bündel waren herausgefallen und verteilten sich auf der Erde rund um Jons leblosen Körper.
Jesco blinzelte, weil er das Gefühl hatte, nicht richtig zu sehen. Doch das Bild veränderte sich dadurch nicht.
Jemand sagte nicht ohne Schmunzeln in der Stimme: "Er hat doch nach Geld verlangt, oder?"
Jesco hob die Augen von seinem so unerwartet gestürzten Gegner, dem das Messer beim Aufschlag auf den Felsengrund geradezu aus der Hand geflogen war. Es lag nun zwei Schritte entfernt zwischen einigen Dornenbüschen. Wenige Meter ihm gegenüber stand ein Mann, relativ jung und der kalten Witterung entsprechend gekleidet. Doch irgendetwas in Jesco zuckte bei der Begegnung ihrer Blicke zurück. Dunkelheit , das war der erste Gedanke, der scheinbar zusammenhangslos durch seinen Kopf ging. Und dieses Wort bezog sich keinesfalls auf die dunklen Haare und Augen seines Gegenübers. Niemals zuvor war er bei der Begegnung mit einem anderen Menschen auf diese schauerliche Weise berührt worden. Trotzdem kostete es ihm nur wenig Mühe, sich bei seinem unerwarteten Retter zu bedanken.
"Sie haben mir ganz schön aus der Patsche geholfen. Danke."
Und zuallererst danke dir, Herr , fügte er still hinzu. Obwohl ich nicht weiß, ob der hier wirklich von dir kommt.
Der Mann wies auf die Klinge am Boden und meinte: "Wenn Sie noch mehr Leute von der Sorte kennen, dann stecken Sie sich besser das Messer ein. Es steht nämlich nicht hinter jeder Ecke jemand, der auf Sie acht gibt."
Jesco hob die Hand. "Ich brauche es nicht", erwiderte er. Und mit einem kleinen Lächeln fügte er hinzu: "Ich würde nicht beschwören, dass nicht doch hinter jeder Ecke jemand steht."
Jons Kopf bewegte sich leicht und es war ein dumpfes Stöhnen zu hören. Jesco sah, dass sein früherer Freund am Hinterkopf blutete. Er spürte sogleich den Impuls, sich neben den Verletzten zu knien und sich um ihn zu kümmern. Bevor er sich jedoch zur Ausführung dieses ihm nicht völlig angenehmen Gedankens entschließen konnte, war der fremde Mann mit wenigen Schritten bei dem am Boden liegenden Messer angelangt, hatte es aufgehoben und eingesteckt. Dann packte er den nun etwas lauter stöhnenden Jon bei den Schultern und drehte ihn herum. Und als er, über Jons Körper gebückt, dann noch das eben aufgehobene Messer wieder aus seiner Manteltasche zog, war Jesco vollends klar, was der Fremde vorhatte.
"Lassen Sie das", forderte er mit lauter Stimme, während er einen festen Schritt nach vorn tat, um schnell eingreifen zu können. Der Angesprochene ignorierte Jescos Appell. Er sah nicht einmal auf, sondern führte das
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