Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
werde mich nicht freiwillig unter einen Fluch stellen und sicher nicht zulassen, dass Du Macht über mich erhältst.“
Elurius antwortete mit Nachdruck. Er machte deutlich, dass nun, da Robert sich an die Seite des Königs gestellt hatte, kein Bedarf dafür bestand, ihn unter einem Fluch zu halten oder über ihn zu herrschen. Der Geist bat Robert, die inneren Augen weit zu öffnen und den derzeit ruhenden Fluch zu erkennen, damit er auch sehe, wenn er ganz verschwände. Und tatsächlich - jetzt, wo er von dem Fluch wusste - gelang es Robert, einen Blick auf den lauernden Tod zu erhaschen, dessen glühende Hände er bereits gespürt hatte. Er erschien ihm wie ein Fallbeil über seinem Kopf, allerdings gehalten von einem starken Bolzen: Darunter hatte er sein gesamtes Leben verbracht, ohne es zu bemerken.
Doch Elurius nahm ihn weg, diesen bösen Hinterhalt, kaum, dass Robert ihn erspähte und wiedererkannte, er wischte ihn fort wie einen Kreidestrich. So war Robert als einziges Kind der Bacidas ausgenommen von Elurius‘ Fluch.
Er würde nur den Schmerz aus Roberts Herz nehmen, wenn sie sich einigten. Einen Herrschaftsanspruch über ihn brauche er nicht, denn die Dinge nähmen auch ohne das ihren Lauf.
Und, ja, Robert wollte seine Last endlich loswerden, dieses fremde Volk kümmerte ihn nicht. Er würde schon darüber wachen können, dass nichts Weiteres geschah als das ihm Versprochene. Elurius erfasste die wortlose Zusage sofort, er kam noch näher heran, sodass seine kraftvolle, dunkle Präsenz sich wie ein Fels auf Robert Seele legte. Der Geist begann sein Werk, die Taubheit fraß sich ganz allmählich in Roberts Herz. Robert nahm vor allem seine eigene Anspannung wahr, er presste sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. Was sich in seinem Inneren abspielte, fühlte sich extrem fremd an, so als erstünde ein anderer Mensch ganz langsam aus seiner eigenen Mitte. Der Körper schien sich ohne sein bewusstes Zutun zu wehren, die Muskeln verkrampften sich. Doch er wusste, es würde bald schon vorbei sein - und dann war er frei für den Rest seines Lebens.
Ein Weinen drang in sein Bewusstsein, ganz in der Nähe. Eine Frau rief ängstlich seinen Namen. Zuerst wurde er zornig, die Störung kam zum absolut falschen Zeitpunkt. Dann spürte er, wie Elurius innehielt und ihn zur Ruhe mahnte: Diese plötzliche Wut stand seinem Tun im Weg. Robert erkannte, dass er Katharinas Weinen und Rufen hörte, sie fand sich im dunklen Wald nicht zurecht. Aus einem Reflex heraus wollte Robert sich von dem Baum abstoßen, doch seine verkrampften Muskeln reagierten nicht. Das machte ihn noch ein wenig zorniger, sodass der Geist sich in ihm wand und ein gutes Stück von seinem Herzen wich.
Eine diffuse Erinnerung holte ihn ein, so lebendig, als sei es gerade gestern gewesen: Am Waldrand weinte ein Mädchen, es hatte sich in einen dichten Busch verkrochen. Robert selbst war damals noch ein Halbwüchsiger, er hielt sein Pferd dort an, wo er das Kind weinen hörte. Im Gehölz fand er dieses kleine Mädchen aus dem Dorf, das einige Minuten später schluchzend seinen Namen nannte: Katharina.
Robert machte einen zweiten Versuch, sich von dem Baumstamm zu lösen - und seine Muskeln gehorchten ihm endlich wieder. Mit langsamen Schritten ging er dem Geräusch nach; er fühlte sich nur halbwach, als lähme etwas seinen Verstand. Das bewirkte der Geist, der noch immer die Hand auf ihn hielt, wenn er auch nicht versuchte, Robert zurückzuhalten. Benommen suchte Robert sich seinen Weg durch den dunklen Wald, am Ziel wollte er einfach nur für Ruhe sorgen. Wie konnte sie auch so dumm sein, ihm nach seiner unmissverständlichen Warnung noch nachzulaufen?
„Robert, bist du es?“ kam es ängstlich ganz aus der Nähe.
Im Gegensatz zu ihr konnte er sie nun sehen, zerzaust und ziemlich verzweifelt. „Bitte sprich mit mir, Robert“, sagte sie. „Ich höre doch, dass du da bist!“ Ja, sie fürchtete sich, das las er nun auch in ihrer Miene. Mit geweiteten Augen starrte sie in die Finsternis und erkannte doch rein gar nichts. Er griff nach ihrem Arm und zog sie zu sich - sie machte sich ganz steif und stieß dabei einen kurzen Schrei aus. Er spürte die Kraft seiner Wut in sich, die Fingerspitzen kribbelten davon: So leicht wäre es, Katharina loszuwerden, sie befand sich nur zwei Sekunden vom Jenseits entfernt. Doch bei der Berührung mit ihr kam die alte Erinnerung deutlicher zurück, denn sie sandte sehr ähnliche Signale aus wie damals: Angst
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