Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
und Traurigkeit - ein kleines Mädchen, das nicht wusste, wohin. Auch damals war sie ihm zuerst mit Furcht begegnet: Man erzählte sich einige seltsame Dinge über den jungen Robert Adlam. Er selbst hingegen wusste im Moment ihrer Begegnung, dass er jemanden brauchte, dem er etwas Gutes tun konnte, nach all dem Unheil, das er in seinem kurzen Leben bereits angerichtet hatte. Und - was er sich nur am Rande eingestand - er sehnte sich nach etwas menschlicher Nähe.
Diese alten Erinnerungen raubten ihm für diesen Moment die Entschlossenheit, er lockerte seinen Griff.
„ Katharina,“, sagte er, „du musst mich in Ruhe lassen.“
Sie blickte in Richtung seines Gesichts, ohne ihn zu erkennen. Doch er sah ihre Tränen und spürte ihr abgrundtiefe Furcht. Und trotzdem war sie hier bei ihm.
„Ich denke an den Tag“, erklärte sie ihm mit zittriger Stimme, „als du mich vor der Ehe mit dem Rothans gewarnt hast. Du hast mir damals gesagt, dass du die Zukunft sehen kannst - und du hattest recht mit allem! Was ist jetzt? Sogar ich kann erahnen, was die Zukunft für dich bringt, ohne überhaupt genau zu wissen, was du vorhast. Warum siehst du das nicht?“ Er hörte ihre Verzweiflung und erinnerte sich sehr genau an das damalige Gespräch mit ihr: Wütend war er geworden, weil er sie nicht abhalten konnte.
Wie einen leisen Windhauch fühlte er nun den Geist. Elurius rührte nur sanft an den Rand seines Bewusstsein, als wolle er in Erinnerung rufen, dass er noch da sei und warte. Nein, es konnte keine Rede davon sein, dass Robert nichts von der Zukunft sah, die er sich wählte. Doch dies war sein Weg: der Einzige, der ihm blieb, um den Stachel in seiner Seele loszuwerden.
„Bleib genau hier“, wies er Katharina an, lies ihren Arm los und stieß sie leicht von sich. „Ich möchte, dass du leise bist und wartest. Ich komme zu dir zurück.“
„ Was hast du vor?“ fragte sie angstvoll.
„ Ich bringe dich später nach Hause, doch sei jetzt ruhig.“ Dies sagte er, ohne eine echte Absicht zu haben, sie irgendwohin zu bringen. Er wusste nur, dass sie später nichts mehr für ihn bedeuten würde.
„ Das mache ich, Robert“, versicherte sie ihm erstaunlich schnell. Und dann tat sie noch etwas Überraschendes: Sie schlang mit einem Mal beide Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Und in diesem Moment spürte er ganz deutlich, was sie durch den dunklen Wald trotz aller Drohungen hinter ihm hergetrieben hatte. Ihre warme, tiefe Zuneigung floss wie aus hundert weit geöffneten Schleusen auf ihn über, sodass sie ihn einen Moment lang schier überwältigte. Eben noch hatte er tatenlos dabei zugesehen, wie Elmor langsam das Leben aus ihr herauspresste und doch war ihre Liebe auch jetzt noch ungebrochen. Und jetzt sprach sie in sein Ohr, er fühlte ihren warmen Atem auf der Wange. „Du bist nicht irgendwer für mich“, wiederholte sie ihm, was er damals zu ihr gesagt hatte. Er fühlte noch immer ihr Zittern, sie schwebte irgendwo zwischen Angst und Hoffnung.
Diese Nähe war zu viel für ihn, sie wühlte sein Inneres auf. Die wohltuende Taubheit war schon wie weggefegt, eine wilde Mischung schmerzender Gefühle nahm ihren Platz ein. Und, ja, etwas schon längst verloren Geglaubtes kam in ihm auf, wie ein stummer Gast, der ganz am Rande stand: die Liebe zu diesem süßen, schlichten Geschöpf, das niemals wahre Finsternis gesehen hatte. Er schob Katharina unsanft von sich.
„Bleib hier“, sagte er nur zum Abschied und ging davon.
Er suchte Elurius mit allen Sinnen, die ihm nun geöffnet waren.
-------- KATHARINA ROTHANS -------
Lange saß sie im Dunkeln auf dem Waldboden. Sie hörte höchstens, wie ein Vogel durch das Gebüsch schlüpfte und der Wind in den Baumwipfeln spielte: Geräusche von Menschen waren nicht zu vernehmen. Befand sich Robert, ganz still, noch irgendwo in der Nähe? Oder hatte er sie längst in Stich gelassen?
Die Tränen versiegten recht schnell, ihr wurde ganz kalt ums Herz: Robert würde sie hier sitzenlassen, ganz bestimmt. Und damit hätte sie ihren Freund endgültig verloren. Sie versuchte mit leiser Stimme, die Psalmen zu rezitieren, die Jesco in der Kapelle gelesen hatte. Einige Wörter und Sätze, die ihr einfielen, spendeten etwas Trost. Vor allem ein Vers ging ihr nicht aus dem Kopf: „ Denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe .“ Während sie diesen Satz wieder und wieder sprach,
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