E.M. Remarque
an Schulter um ihn formiert, heraus. Die
Menge folgte.
Hände versuchten über die Schultern und unter die Arme zu gelangen.
Plötzlich sah einer aus dem stöhnenden Haufen den zweiten, entfernter stehenden
Wagen. Er lief, in grotesken Sätzen schwankend, drauflos. Andere folgten ihm.
Aber hier hatte Weber vorgesorgt; er war umringt von kräftigen Leuten und
setzte sich sofort in Bewegung.
Die Menge stürzte hinterher. Nur ein paar blieben und strichen die Hände über
die Wände des Kaffeekessels, um die Feuchtigkeit abzulecken. Ungefähr dreißig
blieben zurück, die nicht mehr aufstehen konnten.
»Schleppt sie hinterher«, kommandierte Weber. »Und schließt dann eine Kette
über die Straße, damit sie nicht hierher zurückkommen können.«
Der Platz war voll von menschlichem Schmutz; aber er war eine Nacht Ruheplatz
gewesen. Das war viel. Weber hatte Erfahrung. Er wußte, daß die Menge, wie das
Wasser zum tiefsten Punkte, versuchen würde, hierher zurückzukommen, wenn die
Raserei des Hungers vorüber war.
Die Wachen trieben die Zurückgebliebenen vorwärts. Sie schleppten gleichzeitig
die Sterbenden und Toten. Es waren nur sieben Tote. Der Transport hatte aus den
härtesten letzten fünfhundert bestanden.
Am Ausgang des Kleinen Lagers zur Straße brachen einige Leute aus. Die Wachen
mit den Sterbenden und Toten konnten nicht rasch genug folgen. Drei der kräftigsten
Leute flohen zurück. Sie rannten zu den Baracken und rissen an den Türen. Die
von 22 gab nach. Sie krochen hinein.
»Halt!« schrie Weber, als die Wachen folgen wollten. »Alles hierher! Die drei
holen wir später. Aufpassen! Die anderen kommen zurück.«
Der Schwarm kam die Straße herunter. Der Kessel mit Essen war leer geworden,
und als man die Gruppen zum Abmarsch formieren wollte, waren sie umgekehrt.
Aber sie waren jetzt nicht mehr dieselben wie vorher. Vorher waren sie ein
einziger Block gewesen, jenseits von Verzweiflung, und das hatte ihnen eine
stumpfe Kraft gegeben.
Jetzt waren sie durch Hunger und Essen und Bewegung zurückgeworfen in die
Verzweiflung – die Angst flatterte in ihnen wieder und machte sie wild und
schwach, sie waren keine Masse mehr, sondern viele einzelne, jeder mit seinem
eigenen Lebensrest, und das machte sie zu einer leichten Beute. Dazu kam, daß
sie nicht mehr eng zusammenhockten.
Sie hatten keine Macht mehr. Sie fühlten wieder Hunger und Schmerz. Sie
begannen zu gehorchen.
Ein Teil von ihnen war weiter oben abgeschnitten worden; ein anderer auf dem
Wege zurück; den Rest empfing Weber mit seinen Leuten. Sie schlugen nicht auf
die Köpfe; nur auf die Körper. Langsam formierten sich Gruppen. Betäubt standen
sie in Reihen zu vieren, die Arme ineinander verschränkt, damit sie nicht
fielen. Zwischen die Stärkeren wurde immer ein Sterbender eingehakt. Von weitem
konnte es für jemand, der nichts davon wußte, aussehen, als taumele dort Arm in
Arm eine Schar lustiger Betrunkener. Dann plötzlich fingen einige an zu singen.
Sie starrten vor sich hin und hoben die Köpfe und hielten die anderen fest und
sangen. Es waren nicht viele, und der Gesang war dünn und abgerissen. Sie
gingen über den großen Appellplatz an den aufgestellten Arbeitsformationen
vorbei hinaus durchs Tor.
»Was ist das, was sie singen?« fragte Werner.
»Ein Lied für Tote.«
Die drei Geflüchteten kauerten in Baracke 22. Sie hatten sich so weit
durchgedrängt, wie sie konnten. Zwei lagen halb unter einem Bett. Sie hatten
die Köpfe weit darunter gesteckt. Die Beine ragten heraus und zitterten. Das
Zittern lief über sie, hörte einen Augenblick auf und begann wieder. Der dritte
starrte mit weißem Gesicht auf die Häftlinge. »Verstecken – Mensch – Mensch ...«
Er
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