E.M. Remarque
brechen?«
»Laß ihn«, sagte Berger. »Er wird nichts tun. Er ist zu schwach, und ich passe
auf.«
Sie lagen in der Nähe der Baracke, nahe genug, um die dunklen Wände noch im
kochenden Nebel sehen zu können. Es sah aus, als qualmten sie von einem
unsichtbaren Feuer. So lagen sie, die Riesenhände vieler Donner im Genick,
angepreßt an den Boden und warteten auf die nächste Explosion.
Es kam keine. Nur die Flak tobte weiter. Auch von der Stadt her hörte man bald
keine Bomben mehr. Dafür kam deutlicher wieder das Knattern von Gewehrschüssen
durch den Lärm.
»Die Schießerei ist hier im Lager«, sagte Sulzbacher. »Es ist die SS.«
Lebenthal hob den Kopf. »Vielleicht haben sie die Kasernen getroffen, und Weber
und Neubauer sind tot.«
»Das wäre zuviel Glück«, sagte Rosen. »So was passiert nicht. Bei dem Nebel
haben sie doch nicht zielen können. Vielleicht haben sie nur ein paar Baracken
erwischt.«
»Wo ist Lewinsky?« fragte Lebenthal.
Berger sah sich um. »Ich weiß nicht. Vor ein paar Minuten war er noch hier.
Weißt du es nicht, Meyerhof?«
»Nein. Ich will es auch gar nicht wissen.«
»Vielleicht ist er auskundschaften gegangen.«
Sie horchten weiter. Die Spannung wuchs. Vereinzelte Gewehrschüsse waren wieder
hörbar. »Vielleicht sind drüben Leute geflüchtet«, sagte Bucher. »Und sie jagen
sie.«
»Hoffentlich nicht.«
Jeder wußte, daß man das gesamte Lager zum Appell rufen und stehenlassen würde,
bis die Flüchtlinge tot oder lebendig eingebracht worden waren. Das würde viele
Dutzende von Toten und die genaue Kontrolle aller Baracken bedeuten. Es war der
Grund, weshalb Lewinsky Meyerhof angeschrieen hatte.
Warum sollten sie jetzt noch flüchten?« sagte Ahasver.
»Warum nicht?« fragte Meyerhof zurück. »Jeder Tag ...«
»Sei ruhig«, unterbrach Berger ihn. »Du bist von den Toten auferstanden, das
hat dich verrückt gemacht. Du glaubst, du bist Samson. Keine fünfhundert Meter
weit würdest du kommen.«
»Vielleicht ist Lewinsky selbst ausgerissen. Er hat genug Grund. Mehr als jeder
andere.«
»Quatsch! Er flieht nicht.« Die Flak schwieg. In der Stille hörte man Kommandos
und Laufen. »Sollen wir nicht lieber in der Baracke verschwinden?« fragte
Lebenthal.
»Richtig.« Berger stand auf. »Alles von C in die Stube zurück. Goldstein, sieh
zu, daß eure Leute sich weit genug hinten verstecken. Handke kommt sicher jeden
Augenblick.«
»Sie haben die SS bestimmt nicht erwischt«, sagte Lebenthal. »Die Bande kommt
immer durch. Wahrscheinlich sind ein paar hundert von uns in Stücke zerrissen.«
»Vielleicht kommen die Amerikaner schon«, sagte jemand im Nebel.
»Vielleicht war das schon Artillerie!«
Einen Moment schwiegen alle. »Halt die Schnauze«, sagte Lebenthal dann
ärgerlich. »Beruf es nicht.«
»Los 'rein, wer noch kriechen kann. Es gibt sicher einen Appell.« Sie krochen
in die Baracke zurück. Es gab wieder fast eine Panik. Viele hatten plötzlich
Angst, daß andere, die schneller waren, ihnen ihre alten Plätze wegnehmen
würden, besonders die, die ein Stück Bettbrett besaßen. Sie schrieen mit
heiseren, kraftlosen Stimmen und fielen und drängten vorwärts.
Die Baracke war immer noch überfüllt, und Platz war für weniger als ein Drittel
da. Ein Teil blieb trotz aller Rufe draußen liegen; er war durch die Erregung
zu erschöpft, um noch zu kriechen. Die Panik hatte sie mit den anderen
hinausgetrieben; jetzt aber konnten sie nicht mehr weiter. Die Veteranen
zerrten einige bis zur Baracke; im Nebel sahen sie, daß zwei tot waren.
Sie bluteten.
Schüsse hatten sie getötet.
»Vorsicht!« Sie hörten kräftigere Schritte als die der Muselmänner durch das
weiße Wogen.
Die Schritte kamen näher und hielten vor der Baracke.
Lewinsky
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