E.M. Remarque
blickte hinein.
»Berger«, flüsterte er. »Wo ist 509?«
»In zwanzig. Was ist los?«
»Komm mal 'raus.«
Berger ging zur Tür.
»509 braucht keine Angst mehr zu haben«, sagte Lewinsky rasch und abgerissen.
»Handke ist tot.«
»Tot? Durch eine Bombe?«
»Nein. Tot.«
»Wie ist das passiert? Hat die SS ihn im Nebel erwischt?«
»Wir haben ihn erwischt. Das ist genug, oder nicht? Die Hauptsache ist, daß er
erledigt ist. Er war gefährlich. Der Nebel war günstig.« Lewinsky schwieg einen
Moment. »Du wirst ihn ja sehen im Krematorium.«
»Wenn der Schuß zu nahe war, wird man Pulverspuren und Brandwunden sehen.«
»Es war kein Schuß. Zwei andere Bonzen sind auch noch erledigt worden im Nebel
und Durcheinander. Zwei der Schlimmsten. Der von unserer Baracke ist dabei. Er
hat zwei Leute verraten.«
Das Entwarnungssignal kam. Der Nebel wogte und zerriß. Es war, als hätten die
Explosionen ihn zerfetzt. Ein Stück Blau fing an in ihm zu leuchten, dann wurde
er silbern, und die Sonne dahinter füllte ihn mit weißem Glanz. Wie dunkle
Schafotte begannen die MG-Türme daraus aufzusteigen.
Jemand kam. »Vorsicht«, flüsterte Berger. »Komm herein, Lewinsky! Versteck
dich.«
Sie schlossen die Tür hinter sich. »Es ist nur einer«, sagte Lewinsky. »Keine
Gefahr. Sie kommen schon seit einer Woche nicht mehr einzeln. Haben zu viel
Angst.«
Die Tür wurde behutsam geöffnet. »Ist Lewinsky da?« fragte jemand.
»Was willst du?«
»Komm rasch. Ich habe es hier.«
Lewinsky verschwand im Nebel.
Berger sah sich um. »Wo ist Lebenthal?«
»Zu zwanzig gegangen. Er will es 509 sagen.«
Lewinsky kam zurück. »Hast du gehört, was drüben passiert ist?« fragte Berger.
»Ja. Komm heraus.«
»Was ist?«
Lewinsky lächelte langsam. Sein Gesicht war naß vom Nebel und entfaltete sich
zu Zähnen, Augen und breiter, bebender Nase. »Ein Stück der SS-Kaserne ist
eingestürzt«, sagte er. »Tote und Verwundete. Weiß noch nicht, wieviel. Baracke
1 hat Verluste. Das Waffendepot und die Kammer sind beschädigt worden.« Er
blickte vorsichtig in den Nebel. »Wir müssen etwas verstecken. Vielleicht nur
bis heute Abend. Wir haben etwas erwischt. Unsere Leute hatten wenig Zeit. Nur
so lange, bis die SS wiederkam.«
»Gib her«, sagte Berger.
Sie stellten sich dicht zusammen. Lewinsky gab Berger ein schweres Paket. »Aus
dem Waffendepot«, flüsterte er. »Versteck es in deiner Ecke. Ich habe noch ein
zweites. Wir werden es in das Loch unter dem Bett von 509 stecken. Wer schläft
da jetzt?«
»Ahasver, Karel und Lebenthal.«
»Gut.« Lewinsky schnaufte. »Sie haben rasch gearbeitet. Sofort nachdem die
Bombe die Wand des Depots eindrückte. Die SS war nicht da. Als sie kam, waren
unsere Leute längst weg. Wir haben noch mehr erwischt. Das wird in der
Typhusabteilung versteckt. Verteiltes Risiko, verstehst du? Werners Grundsatz.«
»Wird die SS nicht merken, daß was fehlt?«
»Vielleicht. Deshalb lassen wir nichts im Arbeitslager. Wir haben nicht zuviel
genommen, und alles ist mächtig durcheinander. Vielleicht merken sie nichts.
Wir haben versucht, das Depot anzuzünden.«
»Ihr habt verdammt gut gearbeitet«, sagte Berger.
Lewinsky nickte. »Ein glücklicher Tag. Komm, laß es unauffällig verstecken.
Hier vermutet keiner was. Es wird heller. Wir konnten nicht noch mehr fassen,
weil die SS rasch wiederkam. Sie glaubte, die Zäune sind kaputt. Schoß auf
alles, was ihr in den Weg kam. Erwartete Flucht. Jetzt sind sie ruhiger. Haben
festgestellt, daß der Stacheldraht in Ordnung ist. Was für ein Glück, daß die
Arbeitskommandos heute morgen zurückgehalten worden sind; Fluchtgefahr wegen
Nebel. Konnten so unsere besten Leute 'rangehen lassen. Wahrscheinlich gibt's
jetzt bald Appell. Komm, zeig mir, wo wir die
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