Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
Vom Netzwerk:
wür­de bei so et­was Quatsch re­den?«
    »Ich mei­ne: täuscht ihr euch nicht?« frag­te Gold­stein.
    »Nein«, sag­te 509.
    »Ver­stehst du was da­von?«
    »Ja.«
    »Mein Gott.« Ro­sens Ge­sicht ver­zerr­te sich. Er be­gann plötz­lich zu schluch­zen.
    509 horch­te wei­ter. »Wenn der Wind um­schlägt, müs­sen wir es deut­li­cher hö­ren.«
    »Was glaubst du, wie weit weg sie noch sein kön­nen?« frag­te Bu­cher.
    »Ich weiß nicht ge­nau. Fünf­zig Ki­lo­me­ter. Sech­zig. Nicht viel wei­ter.«
    »Fünf­zig Ki­lo­me­ter. Das ist nicht weit.«
    »Nein, das ist nicht weit.«
    »Sie müs­sen Tanks ha­ben. Sie kön­nen das rasch ma­chen. Wenn sie durch­bre­chen – wie­viel Ta­ge glaubst du, brau­chen sie – viel­leicht nur einen ...« , Bu­cher
stock­te.
    »Einen Tag?« wie­der­hol­te Le­ben­thal. »Was sagst du da? Einen Tag?« »Wenn sie
durch­bre­chen. Wir ha­ben ges­tern noch nichts ge­hört. Heu­te ist es da. Mor­gen
kann es nä­her sein. Über­mor­gen – oder am Tag nach über­mor­gen ...«
    »Re­de nicht! Re­de nicht so et­was! Mach kei­ne Men­schen ver­rückt!« schrie
Le­ben­thal plötz­lich.
    »Es ist mög­lich, Leo«, sag­te 509.
    »Nein!« Le­ben­thal schlug die Hän­de vor die Au­gen.
    »Was meinst du, 509?« Bu­cher hat­te ein tot­blas­ses, er­reg­tes Ge­sicht.
»Über­mor­gen? Oder wie­viel Ta­ge?«
    »Ta­ge!« schrie Le­ben­thal und ließ die Hän­de sin­ken. »Wie kön­nen es jetzt nur
noch Ta­ge sein?« mur­mel­te er. »Jah­re, Ewig­kei­ten, und jetzt re­det ihr auf
ein­mal von Ta­gen, Ta­gen! Lügt nicht!« Er kam nä­her. »Lügt nicht!« flüs­ter­te er.
»Ich bit­te euch, lügt nicht!«
    »Wer wür­de bei so et­was lü­gen?« 509 wen­de­te sich um. Gold­stein stand di­rekt
hin­ter ihm. Er lä­chel­te.
    »Ich hö­re es auch«, sag­te er. Sei­ne Au­gen wur­den grö­ßer und grö­ßer und sehr
schwarz. Er lä­chel­te und hob die Ar­me und die Bei­ne in ei­ner Ge­bär­de, als wol­le
er tan­zen, lä­chel­te nicht mehr und fiel vorn­über.
    »Er ist ohn­mäch­tig ge­wor­den«, sag­te Le­ben­thal. »Macht sei­ne Ja­cke auf. Ich
wer­de Was­ser ho­len. Es muß noch et­was in der Ab­fluß­rin­ne sein.«
    Bu­cher, Sulz­ba­cher, Ro­sen und 509 dreh­ten Gold­stein um.
    »Sol­len wir Ber­ger ho­len?« frag­te Bu­cher. »Kann er auf­ste­hen?«
    »War­te.« 509 beug­te sich dicht über Gold­stein. Er knöpf­te die Ja­cke und den
Ho­sen­gurt auf. Als er sich auf­rich­te­te, war Ber­ger da. Le­ben­thal hat­te ihm
Be­scheid ge­sagt.
    »Du soll­test doch in dei­nem Bett blei­ben«, sag­te 509.
    Ber­ger knie­te ne­ben Gold­stein nie­der und horch­te ihn ab. Es dau­er­te nicht
lan­ge.
    »Er ist tot«, er­klär­te er. »Herz­schlag, wahr­schein­lich. Es war im­mer zu
er­war­ten. Sie ha­ben sein Herz völ­lig ka­putt ge­macht.«
    »Er hat es noch ge­hört«, sag­te Bu­cher. »Das ist die Haupt­sa­che. Er hat es noch
ge­hört.«
    »Was?«
    509 leg­te den Arm um die schma­len Schul­tern Ber­gers. »Eph­raim«, sag­te er sanft.
»Ich glau­be, es ist so­weit.«
    »Was?«
    Ber­ger sah auf. 509 merk­te plötz­lich, daß es ihm schwer wür­de, zu spre­chen »Sie
...« , sag­te er und stock­te und zeig­te dann mit der Hand zum Ho­ri­zont. »Sie
kom­men, Eph­raim. Wir kön­nen sie schon hö­ren.« Er blick­te auf die Draht­pa­li­sa­den
und die MG-Tür­me, die im mil­chi­gen Weiß schwam­men. »Sie sind da, Eph­raim ...«
    Mit­tags sprang der Wind um, und das Grol­len wur­de et­was deut­li­cher. Es war wie
ein fer­ner elek­tri­scher Kon­takt, der über­sprang in Tau­sen­de von ein­zel­nen
Her­zen.
    Die Ba­ra­cken wur­den un­ru­hig. Nur ei­ni­ge Ar­beits­kom­man­dos wur­den aus­ge­schickt.
    Über­all wa­ren Ge­sich­ter an die Fens­ter ge­preßt. Wie­der und wie­der er­schie­nen
dün­ne Ge­stal­ten vor den Tü­ren und stan­den mit ge­r­eck­ten Köp­fen da.
    »Ist es nä­her ge­kom­men?«
    »Ja. Es scheint, daß es deut­li­cher ge­wor­den ist.«
    In der Schu­h­ab­tei­lung ar­bei­te­ten al­le schwei­gend. Die Ka­pos paß­ten auf, daß
nicht ge­spro­chen wur­de, die SS-Auf­sicht war da. Die Mes­ser trenn­ten das Le­der,
schnit­ten brü­chi­ge Stücke fort, und in vie­len Hän­den fühl­ten sie sich an­ders

Weitere Kostenlose Bücher