Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
Vom Netzwerk:
Gra­bes ge­habt? Was woll­te
er dann su­chen?
    »Weißt du«, sag­te Ahas­ver. »Manch­mal trifft man Leu­te ganz un­ver­mu­tet ir­gend­wo
auf der Stra­ße.«
    »Ja, Al­ter.«
    Sie sa­hen den bei­den nach.
    »Son­der­bar, daß wir al­le so aus­ein­an­der­ge­hen«, sag­te Bu­cher.
    »Gehst du auch bald?«
    »Ja. Wir soll­ten uns aber nicht ein­fach so ver­lie­ren.«
    »Doch«, sag­te Ber­ger. »Doch.«
    »Wir soll­ten uns wie­der­tref­fen. Nach all­dem hier. Ir­gend­wann.«
    »Nein.«
    Bu­cher blick­te auf. »Nein«, wie­der­hol­te Ber­ger. »Wir sol­len es nicht ver­ges­sen.
Aber wir sol­len auch kei­nen Kult dar­aus ma­chen. Sonst blei­ben wir im­mer im
Schat­ten die­ser ver­fluch­ten Tür­me.«
    Das Klei­ne La­ger war leer. Man hat­te es ge­säu­bert und die Be­woh­ner im
Ar­beits­la­ger und in den SS-Ka­ser­nen un­ter­ge­bracht. Man hat­te Strö­me von Was­ser
und Sei­fe und des­in­fi­zie­ren­den Mit­teln ge­braucht; aber der Ge­ruch nach Tod und
Schmutz und Elend hing im­mer noch dar­über. In die Sta­chel­drahtzäu­ne wa­ren
über­all Durch­gän­ge ein­ge­schnit­ten wor­den.
    »Glaubst du, daß du nicht mü­de wer­den wirst?« frag­te Bu­cher Ruth.
    »Nein.«
    »Dann wol­len wir ge­hen. Was ist heu­te für ein Tag?«
    »Don­ners­tag.«
    »Don­ners­tag. Gut, daß die Ta­ge wie­der Na­men ha­ben. Hier hat­ten sie nur Zah­len.
Sie­ben in ei­ner Wo­che. Al­le gleich.«
    Sie hat­ten sich ih­re Pa­pie­re von der La­ger­ver­wal­tung ge­ben las­sen. »Wo­hin
wol­len wir ge­hen?« frag­te Ruth.
    »Dort­hin.« Bu­cher zeig­te auf den Hang, auf dem das wei­ße Haus stand. »Wir
wol­len zu­erst dort­hin ge­hen und es na­he an­se­hen. Es hat uns Glück ge­bracht.«
    »Und dann?«
    »Dann? Wir kön­nen hier­her zu­rück­kom­men. Es gibt Es­sen hier.«
    »Laß uns nicht zu­rück­kom­men. Nie mehr.«
    Bu­cher sah Ruth über­rascht an. »Gut. War­te. Ich ho­le un­se­re Sa­chen.«
    Es war nicht viel; aber sie hat­ten Brot für ei­ni­ge Ta­ge und zwei Büch­sen
kon­den­sier­ter Milch da­bei. »Ge­hen wir wirk­lich?« frag­te sie.
    Er sah die Span­nung in ih­rem Ge­sicht. »Ja, Ruth«, sag­te er.
    Sie ver­ab­schie­de­ten sich von Ber­ger und gin­gen zu der Tür, die in die
Sta­chel­drah­tum­zäu­nung des Klei­nen La­gers ge­schnit­ten war. Sie wa­ren schon
ei­ni­ge Ma­le au­ßer­halb des La­gers ge­we­sen, wenn auch nie weit – aber es war
je­des mal wie­der die glei­che Er­re­gung, plötz­lich auf der an­de­ren Sei­te zu
ste­hen. Un­sicht­bar schie­nen im­mer noch der elek­tri­sche Strom da­zu­sein und die
Ma­schi­nen­ge­weh­re, die ge­nau auf den kah­len Strei­fen­weg rund­um ein­ge­stellt
wa­ren. Ein Schau­er durch­lief sie beim ers­ten Schritt über die Draht­ein­fas­sung
hin­aus. Doch dann war end­los die Welt da.
    Sie gin­gen lang­sam ne­ben­ein­an­der her. Es war ein wei­cher, ver­han­ge­ner Tag. Sie
hat­ten durch Jah­re krie­chen, ren­nen und schlei­chen müs­sen – jetzt gin­gen sie
ru­hig und auf­recht, und kei­ne Ka­ta­stro­phe folg­te. Nie­mand schoß hin­ter ih­nen
her.
    Nie­mand schrie. Nie­mand schlug auf sie ein.
    »Es ist un­be­greif­lich«, sag­te Bu­cher. »Je­des mal wie­der.«
    »Ja. Es macht ei­nem fast Angst.«
    »Sieh nicht zu­rück. Woll­test du dich um­se­hen?«
    »Ja. Es sitzt ei­nem noch im Nacken. Als ob je­mand im Kopfe hock­te und ihn
her­um­dre­hen woll­te.«
    »Laß uns ein­mal ver­su­chen, es zu ver­ges­sen. So­lan­ge wir kön­nen.«
    »Gut.«
    Sie gin­gen wei­ter und über­quer­ten einen Weg. Ei­ne Wie­se lag vor ih­nen, grün und
über­weht vom Gelb der Pri­meln. Sie hat­ten sie oft vom La­ger aus ge­se­hen. Bu­cher
dach­te einen Au­gen­blick an die arm­se­li­gen, ver­trock­ne­ten Pri­meln Neu­bau­ers ne­ben
Ba­ra­cke 22. Er schüt­tel­te es ab. »Komm, wir wol­len da hin­durch­ge­hen.«
    »Darf man das?«
    »Ich glau­be, wir dür­fen vie­les. Und wir wol­len doch kei­ne Angst mehr ha­ben.«
    Sie fühl­ten das Gras un­ter ih­ren Fü­ßen und an ih­ren Schu­hen.
    Auch das kann­ten sie nicht mehr. Sie kann­ten nur den har­ten Grund der
Ap­pell­plät­ze. »Laß uns nach links ge­hen«, sag­te Bu­cher.
    Sie gin­gen nach links. Ein

Weitere Kostenlose Bücher