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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Brot­stück ge­se­hen. Er stol­per­te rasch her­an, den Mund
weit of­fen, um­klam­mer­te den Arm von 509 und schnapp­te da­nach. 509 stieß ihn weg
und schob das Brot­stück in die Hand von Ka­rel, der die gan­ze Zeit schwei­gend
ne­ben ihm ge­stan­den hat­te. Der Mu­sel­mann griff nach Ka­rel.
    Der Jun­ge trat ihm ru­hig und ge­nau ge­gen das Schien­bein. Der Mu­sel­mann
schwank­te, und die an­de­ren stie­ßen ihn weg.
    Ka­rel sah 509 an. »Wer­det ihr ver­gast?« frag­te er sach­lich.
    »Hier gibt es kei­ne Gas­kam­mern, Ka­rel. Du soll­test das wis­sen«, sag­te Ber­ger
är­ger­lich.
    »Das ha­ben sie uns in Bir­kenau auch ge­sagt. Wenn sie euch Hand­tü­cher ge­ben und
euch sa­gen, ihr sollt ba­den, dann ist es Gas.«
    Ber­ger schob ihn bei­sei­te. »Geh und iß dein Brot, sonst nimmt es dir ein
an­de­rer weg.«
    »Ich pas­se schon auf.« Ka­rel stopf­te das Brot in den Mund. Er hat­te ge­fragt,
wie man nach ei­nem Rei­se­ziel fragt, und hat­te nichts Bö­ses ge­meint. Er war in
Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern auf­ge­wach­sen und kann­te nichts an­de­res.
    »Kommt ...« sag­te 509.
    Ruth Hol­land be­gann zu wei­nen. Ih­re Hän­de hin­gen wie Vo­gel­kral­len am
Sta­chel­draht.
    Sie fletsch­te die Zäh­ne und stöhn­te. Sie hat­te kei­ne Trä­nen.
    »Kommt ...« sag­te 509 noch ein­mal. Er ließ die Au­gen über die Zu­rück­blei­ben­den
glei­ten. Die meis­ten wa­ren schon gleich­gül­tig in die Ba­ra­cken zu­rück­ge­kro­chen.
    Nur die Ve­te­ra­nen und ein paar an­de­re stan­den da. Es schi­en 509 plötz­lich, als
ha­be er noch et­was un­ge­heu­er Wich­ti­ges zu sa­gen, et­was, von dem al­les ab­hin­ge.
    Er müh­te sich mit al­ler Kraft, aber er konn­te es nicht in Ge­dan­ken und Wor­te
brin­gen.
    »Ver­geßt dies nicht«, sag­te er schließ­lich nur.
    Kei­ner er­wi­der­te et­was. Er sah, daß sie es ver­ges­sen wür­den.
    Sie hat­ten ähn­li­ches schon zu oft ge­se­hen. Bu­cher hät­te es viel­leicht nicht
ver­ges­sen, er war jung ge­nug; aber der muß­te mit.
    Sie stol­per­ten den Weg ent­lang. Sie hat­ten sich nicht ge­wa­schen. Das war ein
Witz We­bers ge­we­sen; das La­ger hat­te nie ge­nug Was­ser. Sie gin­gen vor­wärts. Sie
sa­hen sich nicht um.
    Sie ka­men durch die Sta­chel­draht­pfor­te, die das Klei­ne La­ger ab­trenn­te.
    Die Kre­pier­pfor­te. Wass­ja schmatz­te. Die drei Neu­en gin­gen wie Au­to­ma­ten. Sie
ka­men an den ers­ten Ba­ra­cken des Ar­beits­la­gers vor­bei. Die Kom­man­dos wa­ren
längst aus­ge­rückt.
    Die Ba­ra­cken wa­ren leer und trost­los; aber sie schie­nen 509 jetzt das
Be­geh­rens­wer­tes­te der Welt zu sein. Sie wa­ren plötz­lich Ge­bor­gen­heit, Le­ben und
Si­cher­heit. Er hät­te hin­ein­krie­chen und sich ver­ste­cken mö­gen, fort von die­sem
er­bar­mungs­lo­sen Gang in den Tod. Zwei Mo­na­te zu früh, dach­te er stumpf.
    Viel­leicht nur zwei Wo­chen zu früh. Al­les um­sonst. Um­sonst.
    »Ka­me­rad«, sag­te plötz­lich je­mand ne­ben ihm. Es war vor Ba­ra­cke 13. Der Mann
stand vor der Tür und hat­te ein Ge­sicht, das schwarz mit Bart­stop­peln war.
    509 blick­te auf. »Ver­geßt das nicht«, mur­mel­te er. Er kann­te den Mann nicht.
    »Wir wer­den es nicht ver­ges­sen«, er­wi­der­te der Mann. »Wo­hin geht ihr?«
    Die Leu­te, die im Ar­beits­la­ger zu­rück­ge­blie­ben wa­ren, hat­ten We­ber und Wie­se
ge­se­hen. Sie wuß­ten, daß das et­was Be­son­de­res be­deu­ten muß­te.
    509 blieb ste­hen. Er sah den Mann an. Auf ein­mal war er nicht mehr stumpf. Er
fühl­te wie­der das Wich­ti­ge, das er noch zu sa­gen hat­te, das, was nicht ver­lo­ren
ge­hen durf­te. »Ver­geßt es nicht«, flüs­ter­te er ein­dring­lich. »Nie! Nie!«
    »Nie!« wie­der­hol­te der Mann mit fes­ter Stim­me. »Wo­hin müßt ihr?«
    »In ein Hos­pi­tal. Als Ver­suchs­ka­nin­chen. Ver­geßt es nicht. Wie heißt du?«
    »Le­wins­ky, Sta­nis­laus.«
    »Ver­giß es nicht, Le­wins­ky«, sag­te 509. Es war ihm, als ha­be es mehr Kraft mit
dem Na­men. »Le­wins­ky, ver­giß es nicht.«
    »Ich wer­de es nicht ver­ges­sen.«
    Le­wins­ky rühr­te mit der Hand an die Schul­ter von 509. 509 spür­te es wei­ter als
nur bis zur Schul­ter. Er sah Le­wins­ky noch

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