E.M. Remarque
Fiola herankommen. Er
lächelte zur ihr hinüber und setzte auf Schwarz. Rot gewann wieder. Beim
nächsten Spiel war Schwarz mit Maximalsätzen von allen Seiten gepflastert, und
um den Tisch drängten sich die Spieler drei Reihen tief. Fast alle spielten
gegen Clerfayt. Nur eine dürre Greisin in einem Abendkleid aus hellblauem Viole
setzte mit ihm auf Rot.
Der Saal wurde
still. Die Kugel klapperte. Die Greisin nieste. Rot gewann wieder. Fiola machte
Clerfayt ein Zeichen aufzuhören; die Serie mußte ja irgendwann ein Ende haben.
Clerfayt schüttelte den Kopf und ließ das Maximum weiter auf Rot.
»Il est fou«, sagte
jemand hinter Lillian.
Im letzten Moment
schob die Greisin, die ihren Gewinn schon abgezogen hatte, alles wieder auf
Rot. Man hörte sie in der Stille heftig atmen und dann verstummen. Sie
versuchte, einen zweiten Niesanfall zu unterdrücken. Ihre Hand lag wie eine
gelbe Kralle auf dem grünen Tuch. Neben sich hatte sie eine kleine, grüne
Schildkröte als Maskotte.
Rot gewann wieder.
Die Greisin explodierte. »Formidable«, sagte die Frau hinter Lillian. »Wer ist
das?«
Die Nummern wurden
kaum noch gesetzt. Das Gerücht der Serie hatte sich jetzt überall verbreitet.
Eine Batterie von großen Marken versammelte sich in aufgetürmten Reihen auf
Schwarz. Rot war siebenmal gekommen; die Farbe mußte endlich wechseln. Clerfayt
hielt als einziger weiter Rot. Die Greisin setzte in ihrer Aufregung im letzten
Augenblick die Schildkröte. Bevor sie sie auswechseln konnte, ging ein Raunen
durch den Saal; Rot hatte wieder gewonnen.
»Madame, wir können
Ihnen die Schildkröte nicht verdoppeln«, sagte der Croupier und schob der
Greisin das Tier mit seinem weisen, uralten Kopf über den Tisch wieder zu.
»Aber meinen
Gewinn!« krächzte das Gespenst.
»Entschuldigen Sie,
Madame, aber Sie haben Ihren Einsatz weder gemacht noch angemeldet.«
»Sie sahen doch,
daß ich setzen wollte! Das ist genug.«
»Sie müssen
entweder gesetzt oder Ihren Einsatz angemeldet haben, bevor die Kugel fällt.«
Die Greisin schaute
erbittert um sich. »Faites vos jeux«, sagte der Croupier gleichgültig.
Clerfayt setzte
wieder Rot. Die Greisin setzte ärgerlich auf Schwarz. Alle andern setzten
ebenfalls Schwarz. Fiola setzte die Sechs und Schwarz. Rot kam noch einmal.
Clerfayt zog jetzt seinen Gewinn ein. Er schob dem Croupier eine Anzahl Marken
zu und stand auf.
»Du hast mir
wirklich Glück gebracht«, sagte er zu Lillian und blieb stehen, bis die Kugel
wieder still lag. Schwarz gewann. »Siehst du«, sagte er. »Manchmal hat man
einen sechsten Sinn.«
Sie lächelte.
Hättest du ihn doch in der Liebe! dachte sie.
Fiola kam herüber.
»Ich gratuliere. Zur rechten Zeit aufhören zu können, ist die große Kunst des
Lebens.«
Er wandte sich an
Lillian. »Finden Sie nicht?«
»Ich weiß es nicht.
Ich hatte nie Gelegenheit dazu.«
Er lachte. »Das
glaube ich nicht. Sie sind aus Sizilien verschwunden und haben Verwirrung in
vielen Köpfen hinterlassen. In Rom kamen Sie an und waren fort wie ein Blitz.
Auch in Venedig konnte niemand Sie finden, hat man mir anvertraut.«
Sie gingen zur Bar,
um das Glück Clerfayts zu feiern.
»Ich glaube, ich
habe genug gewonnen, um das Haus fertig ausbauen zu lassen«, sagte er zu
Lillian.
»Du kannst es
morgen wieder verlieren.«
»Möchtest du das?«
»Natürlich nicht.«
»Ich werde nicht
mehr spielen«, erklärte er. »Wir werden alles behalten. Ich werde dir noch
einen Swimmingpool in den Garten bauen lassen.«
»Ich brauche
keinen. Ich schwimme nicht, das weißt du doch.«
Er sah sie rasch
an. »Ich weiß. Bist du müde?«
»Nein.«
»Eine Serie von
neunmal Rot ist eine wunderbare Sache«, sagte Fiola. »Ich habe nur einmal eine
längere Serie
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