E.M. Remarque
Hotel de Paris
und einem Ausflug ins Kasino.«
»Der Garten ist
groß, und man kann das Haus ausbauen«, erwiderte Clerfayt unbeirrt. »Ich habe
Geld dafür. Die Mille Miglia haben sich gnädig gezeigt. Ich hoffe, daß ich beim
Rennen in Monaco noch etwas dazu hole. Warum findest du es so unmöglich, hier
zu wohnen? Wo sonst möchtest du leben?«
»Ich weiß es nicht,
Clerfayt.«
»Das weiß man doch!
Wenigstens ungefähr.«
»Ich nicht«, sagte
Lillian in einer leichten Panik.
»Nirgendwo.
Irgendwo leben zu wollen ist immer irgendwo sterben zu wollen.«
»Das Klima ist hier
im Winter hundertmal besser als in Paris.«
»Im Winter!« sagte Lillian,
als sagte sie Sirius und Styx und Ewigkeit.
»Der Winter kommt
rasch. Man muß bald mit dem Umbau anfangen, wenn man fertig sein will.«
Lillian blickte
sich in dem trüben Raum um. Es war nicht das erste Mal, daß sie davon sprachen.
Ich will nicht hier gefangen werden, dachte sie und fragte: »Mußt du im Winter
nicht in Toulouse arbeiten?«
»Das kann ich
außerdem; ich möchte nur, daß du schon vorher irgendwo lebst, wo das beste
Klima für dich ist.«
Was geht mich das
Klima an, dachte Lillian und sagte verzweifelt: »Das beste Klima hat das
Sanatorium.«
Clerfayt sah sie
an. »Mußt du dahin zurück?«
Sie schwieg.
»Möchtest du dahin zurück?« fragte er.
»Was soll ich dir
darauf antworten? Bin ich nicht hier?«
»Hast du einen Arzt
gefragt? Hast du je hier unten einen Arzt danach gefragt?«
»Ich brauche dazu
keinen Arzt zu fragen.«
Er sah sie
mißtrauisch an. »Wir werden zusammen einen Arzt fragen. Ich werde den besten
Arzt in Frankreich ausfindig machen, und wir werden ihn fragen.«
Lillian antwortete
nicht. Das auch noch, dachte sie. Clerfayt hatte sie schon ein paar Male
gefragt, ob sie zum Arzt ginge, aber er hatte nie darauf bestanden, mehr davon
zu hören als ihre Versicherung, daß sie es täte. Dieses war anders. Es fiel
zusammen mit dem Haus, der Zukunft, der Liebe, der Fürsorge, mit all den
schönen Namen, die es für sie nicht mehr gab, weil sie das Sterben nur noch
schwerer machten. Die nächste Konsequenz würde sein, daß er versuchte, sie in
ein Krankenhaus zu stecken.
Ein Vogel begann
sehr schrill vor dem Fenster zu singen. »Lass uns hier hinausgehen«, sagte
Clerfayt. »Das elektrische Licht in diesem bunten Kandelaber ist entsetzlich,
ich gebe es zu. Aber alles das kann man ändern.«
Draußen lehnte der
Abend an den Mauern mit den Stuckornamenten. Lillian atmete tief auf. Ihr war,
als sei sie entkommen. »Die Wahrheit ist,«, sagte Clerfayt, »daß du nicht mit
mir leben willst, Lillian! Ich weiß es.«
»Ich lebe doch mit
dir«, erwiderte sie hilflos.
»Du lebst mit mir
wie jemand, der morgen nicht mehr da sein wird. Wie jemand, der immer am
Abreisen ist.«
»Wolltest du das
nicht so?«
»Vielleicht –
aber jetzt will ich es nicht mehr. Wolltest du je anders mit mir leben?«
»Nein«, sagte sie
leise. »Aber auch nicht mit irgend jemand andern, Clerfayt.«
»Warum nicht?«
Sie schwieg
rebellisch. Wozu fragt er diese törichten Fragen? »Wir haben doch schon so oft
darüber gesprochen. Wozu schon wieder?« sagte sie schließlich.
»Ein Verhältnis
kann sich ändern. Ist Liebe etwas so Verächtliches?«
Sie schüttelte den
Kopf. Er sah sie an. »Ich wollte nie etwas sehr in meinem Leben für mich,
Lillian. Jetzt will ich es. Ich will dich.«
»Du hast mich
doch!«
»Nicht ganz. Nicht
genug.«
Er will mich
anbinden und einsperren, dachte sie, und er ist stolz darauf und nennt es
Heirat und Sorge und Liebe, und vielleicht ist es das auch. Aber warum begreift
er nicht, daß das, worauf er stolz ist, das ist, was mich wegtreibt? Voll Hass
blickte sie auf die kleine Villa mit ihren Kieswegen. War sie deshalb von oben
geflohen, um hier zu enden? Hier oder in Toulouse oder in Brescia? Wo war
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