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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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horch­te. »Nun wol­len wir ein­mal se­hen, was er
macht – ob er brav und fromm gleich wie­der her­auf­kommt, oder ob er mit
Gi­u­sep­pe abs­aust.«
    »Abs­aust? Wo­hin?«
    »Wo­hin er will.
Ben­zin ist ge­nug im Tank. Da­mit kann er fast bis Zü­rich kom­men.«
    »Was?« sag­te
Lil­li­an. »Was sa­gen Sie da?«
    Cler­fa­yt horch­te
wie­der. »Er kommt nicht zu­rück. Er fährt die Dorf­stra­ße ent­lang auf den See und
die Chaus­see zu. Se­hen Sie, da ist er schon – hin­ter dem Pa­lace Ho­tel.
Gott sei Dank?«
    Lil­li­an war
auf­ge­sprun­gen. »Gott sei Dank? Sind Sie ver­rückt? Sie schi­cken ihn los in ei­nem
of­fe­nen Sport­wa­gen? Nach Zü­rich, wenn er will? Wis­sen Sie nicht, daß er krank
ist?«
    »Ge­ra­de des­halb. Er
hat schon ge­glaubt, er hät­te ver­lernt zu fah­ren.«
    »Und wenn er sich
ei­ne Er­käl­tung holt?«
    Cler­fa­yt lach­te.
»Er ist warm an­ge­zo­gen. Und Renn­fah­rern geht es mit Wa­gen so wie Frau­en mit
Abend­klei­dern – wenn sie ih­nen Spaß ma­chen, er­käl­ten sie sich nie dar­in.«
    Lil­li­an starr­te ihn
an. »Und wenn er sich trotz­dem ei­ne Er­käl­tung holt! Wis­sen Sie, was das hier
oben be­deu­tet? Was­ser in den Lun­gen, Ver­wach­sun­gen, schwe­re Rück­fäl­le. Man kann
sich hier den Tod an ei­ner Er­käl­tung ho­len!«
    Cler­fa­yt
be­trach­te­te sie. Sie ge­fiel ihm so be­deu­tend bes­ser als am Abend vor­her. »Das
soll­ten Sie sich mer­ken, wenn Sie abends, statt im Bett zu blei­ben, in die
Pa­lace Bar aus­rei­ßen«, sag­te er. »In ei­nem dün­nen Kleid und sei­de­nen Schu­hen.«
    »Das hat nichts mit
Holl­mann zu tun!«
    »Si­cher nicht. Aber
ich glau­be an die The­ra­pie des Ver­bo­te­nen. Bis jetzt dach­te ich, Sie auch!«
    Lil­li­an war einen
Au­gen­blick ver­wirrt. »Nicht für an­de­re«, sag­te sie dann.
    »Gut. Die meis­ten
Men­schen glau­ben dar­an im­mer nur für an­de­re.«
    Cler­fa­yt blick­te
zum See hin­un­ter. »Da ist er! Se­hen Sie ihn? Hö­ren Sie nur, wie er die Kur­ven
nimmt! Er hat das Schal­ten noch nicht ver­lernt. Heu­te abend wird er ein an­de­rer
Mensch sein.«
    »Wo? In Zü­rich?«
    »Über­all. Auch
hier.«
    »Er wird heu­te
abend mit Fie­ber im Bett lie­gen.«
    »Das glau­be ich
nicht. Und wenn schon! Bes­ser ein biß­chen Fie­ber, als daß er mit hän­gen­den
Oh­ren um den Wa­gen her­um­schleicht und glaubt, er sei ein Krüp­pel.«
    Lil­li­an wand­te sich
scharf um. Krüp­pel, dach­te sie. Weil er krank ist? Was er­laubt sich die­ser
ah­nungs­lo­se, ge­sun­de Roh­ling ne­ben ihr? Hielt er sie viel­leicht auch für einen
Krüp­pel? Ihr fiel der Abend in der Pa­lace Bar ein, als er mit Mon­te Car­lo
te­le­fo­niert hat­te. Hat­te er da nicht auch von ei­nem Krüp­pel ge­re­det? »Ein biß­chen
Fie­ber kann hier rasch zu ei­ner töd­li­chen Lun­gen­ent­zün­dung wer­den«, sag­te sie
feind­se­lig. »Aber das küm­mert Sie wohl nicht! Sie kön­nen dann ja sa­gen, es sei
auch ein Glück für Holl­mann ge­we­sen, ge­stor­ben zu sein, nach­dem er noch ein­mal
in ei­nem Sport­wa­gen ge­ses­sen und ge­glaubt ha­be, ein großer Renn­fah­rer zu
wer­den.«
    Sie be­reu­te es
so­fort. Sie ver­stand nicht, warum sie plötz­lich in ei­nem sol­chen Auf­ruhr war.
»Sie ha­ben ein gu­tes Ge­dächt­nis«, sag­te Cler­fa­yt amü­siert. »Ich ha­be das schon
frü­her be­merkt. Aber be­ru­hi­gen Sie sich; der Wa­gen ist nicht so schnell, wie er
sich an­hört. Mit Ket­ten auf den Rei­fen kann man nicht ge­ra­de ein Renn­tem­po
fah­ren.« Er leg­te einen Arm um ih­re Schul­tern. Sie schwieg und rühr­te sich
nicht. Sie sah, wie Gi­u­sep­pe klein und schwarz hin­ter dem Wal­de am See
her­vor­kam. Kom­pakt wie ei­ne dröh­nen­de Hum­mel schoß er durch den wei­ßen Glanz,
der in der Son­ne über dem Schnee hing. Sie hör­te die Schlä­ge des Mo­tors und das
Echo, das die Ber­ge sich zu­war­fen. Der Wa­gen hielt auf die Stra­ße zu, die über
den Paß auf die an­de­re Sei­te führ­te, und auf ein­mal wuß­te sie, daß das es war,
was sie so er­reg­te. Sie sah, wie der Wa­gen hin­ter ei­ner Kur­ve ver­schwand. Nur
noch der Mo­tor war jetzt da, ei­ne ra­sen­de, ru­fen­de Trom­mel, die zu ei­nem
un­be­kann­ten Auf­bruch rief und die sie tiefer spür­te wie

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