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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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nur als Lärm.
    »Hof­fent­lich reißt
er nicht wirk­lich aus«, sag­te Cler­fa­yt.
    Lil­li­an ant­wor­te­te
nicht so­fort. Ih­re Lip­pen wa­ren tro­cken. »Warum soll er aus­rei­ßen?« sag­te sie
dann müh­sam. »Er ist doch fast ge­heilt. Warum soll er da al­les ris­kie­ren?«
    »Manch­mal ris­kiert
man es ge­ra­de dann.«
    »Wür­den Sie es an
sei­ner Stel­le ris­kie­ren?«
    »Das weiß ich
nicht.«
    Lil­li­an hol­te Atem.
»Wür­den Sie es tun, wenn sie wüss­ten, daß Sie nie wie­der ge­sund wür­den?« frag­te
sie.
    »An­statt hier zu blei­ben.«
    »An­statt hier ein
paar Mo­na­te län­ger zu ve­ge­tie­ren.« Cler­fa­yt lä­chel­te. Er kann­te an­de­re Ar­ten
von Ve­ge­tie­ren. »Es kommt dar­auf an, was man dar­un­ter ver­steht«, sag­te er.
    »Vor­sich­tig zu
le­ben«, er­wi­der­te Lil­li­an rasch.
    Er lach­te. »Da­nach
müs­sen Sie nicht ge­ra­de einen Renn­fah­rer fra­gen.«
    »Wür­den Sie es
tun?«
    »Ich ha­be kei­ne
Ah­nung. So et­was weiß man nie vor­her. Viel­leicht ja, um noch ein­mal an mich zu
rei­ßen, was Le­ben heißt, oh­ne Rück­sicht auf Zeit – aber viel­leicht wür­de
ich auch nach der Uhr le­ben und um je­den Tag gei­zen und je­de Stun­de. Das weiß
man nie. Ich ha­be da merk­wür­di­ge Über­ra­schun­gen er­lebt.«
    Lil­li­an zog ih­re
Schul­ter un­ter Cler­fa­yts Arm weg. »Müs­sen Sie das nicht vor je­dem Ren­nen mit
sich ab­ma­chen?«
    »So et­was sieht
dra­ma­ti­scher aus als es ist. Ich fah­re nicht aus Ro­man­tik. Ich fah­re für Geld,
und weil ich nichts an­de­res kann – nicht aus Aben­teu­er­lust. Aben­teu­er ha­be
ich in un­se­rer ver­damm­ten Zeit ge­nug ge­habt, oh­ne es zu wol­len. Sie
wahr­schein­lich auch.«
    »Ja«, er­wi­der­te
Lil­li­an. »Aber nicht die rich­ti­gen.«
    Sie hör­ten
plötz­lich den Mo­tor wie­der. »Er kommt zu­rück«, sag­te Cler­fa­yt.
    »Ja«, wie­der­hol­te
sie und hol­te tief Atem. »Er kommt zu­rück. Sind Sie ent­täuscht?«
    »Nein. Ich woll­te
nur, daß er den Wa­gen ein­mal fährt. Das letz­te Mal, als er dar­in saß, hat­te er
sei­nen ers­ten Blut­sturz.«
    Lil­li­an sah
Gi­u­sep­pe auf der Chaus­see her­an­schie­ßen. Sie konn­te es plötz­lich nicht
er­tra­gen, Holl­manns strah­len­des Ge­sicht se­hen zu müs­sen. »Ich muß hin­ein«,
sag­te sie has­tig. »Das Kro­ko­dil sucht mich be­reits!« Sie wen­de­te sich zum
Ein­gang. »Und wann fah­ren Sie über den Paß?« frag­te sie.
    »Wann Sie wol­len«,
er­wi­der­te Cler­fa­yt. Es war Sonn­tag, und Sonn­ta­ge im Sa­na­to­ri­um wa­ren im­mer
schwe­rer zu er­tra­gen als die Wo­chen­ta­ge. Sie hat­ten ei­ne trü­ge­ri­sche Ru­he oh­ne
die Rou­ti­ne der Wo­chen­ta­ge. Die Arz­te ka­men nur in die Zim­mer, wenn es
not­wen­dig war, so daß man glau­ben konn­te, man sei ge­sund. Da­durch aber wa­ren
die Kran­ken sonn­tags um so un­ru­hi­ger, und die Schwes­ter muß­te oft ge­nug abends
Bett­lä­ge­ri­ge in Zim­mern auf­sam­meln, in die sie nicht ge­hör­ten.
    Lil­li­an kam trotz
des Ver­bots zum Abendes­sen her­un­ter; das Kro­ko­dil kon­trol­lier­te ge­wöhn­lich
sonn­tags nicht. Sie hat­te zwei Glä­ser Wod­ka ge­trun­ken, um sich vor der
Me­lan­cho­lie der Däm­me­rung zu ret­ten; aber es war ihr nicht ge­lun­gen. Dann hat­te
sie ihr bes­tes Kleid an­ge­zo­gen – Klei­der hal­fen manch­mal mehr als je­der
mo­ra­li­sche Trost –, aber dies­mal hat­te auch das nicht ge­nutzt. Der Ca­fard,
der plötz­li­che Welt­schmerz, der Ha­der mit Gott, den je­der hier oben kann­te und
der oh­ne er­sicht­li­chen Grund kam und ging, war ge­blie­ben. Er hat­te sie
an­ge­flo­gen wie ein dunk­ler Schmet­ter­ling.
    Erst als sie in das
Ess­zim­mer trat, wuß­te sie, wo­her er kam. Das Zim­mer war fast voll, und an ei­nem
Tisch in der Mit­te saß Eva Mo­ser, um­ringt von ei­nem hal­b­en Dut­zend ih­rer
Freun­de, vor sich einen Ku­chen, ei­ne Fla­sche Cham­pa­gner und Ge­schen­ke in bun­tem
Pa­pier. Es war ihr letz­ter Abend. Am nächs­ten Nach­mit­tag soll­te sie ab­fah­ren.
    Lil­li­an woll­te
zu­erst um­keh­ren; dann sah sie Holl­mann. Er saß al­lein ne­ben ei­nem Tisch mit den
drei schwarz­ge­klei­de­ten Süd­ame­ri­ka­nern, die auf

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