Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
den Tod Ma­nue­las war­te­ten, und
wink­te ihr zu.
    »Ich ha­be Gi­u­sep­pe
heu­te ge­fah­ren«, sag­te er.
    »Ha­ben Sie es
ge­se­hen?«
    »Ja. Hat je­mand
sonst Sie noch ge­se­hen?«
    »Wer?«
    »Das Kro­ko­dil? Oder
der Dalai La­ma?«
    »Nie­mand. Der Wa­gen
war an der Übungs­wie­se ge­parkt. Da kann man ihn nicht se­hen. Und wenn schon!
Ich bin glück­lich. Ich glaub­te schon, ich kön­ne die ver­damm­te Kar­re nicht mehr
fah­ren.«
    »Je­der scheint
heu­te abend glück­lich zu sein«, er­wi­der­te Lil­li­an bit­ter. »Se­hen Sie sich das
da an!«
    Sie zeig­te auf den
Tisch, an dem Eva Mo­ser mit er­hitz­tem, dick­li­chem Ge­sicht saß, um­ringt von
ih­ren teil­neh­men­den und nei­di­schen Freun­den. Sie saß da wie je­mand, der das
Große Los ge­zo­gen hat und plötz­lich nicht weiß, wie er zu all der
über­ra­schen­den Teil­nah­me kommt.
    »Und Sie?« frag­te
Lil­li­an Holl­mann. »Ha­ben Sie Ih­re Tem­pe­ra­tur ge­mes­sen?«
    Holl­mann lach­te.
»Das hat Zeit bis mor­gen. Heu­te will ich nicht dar­an den­ken.«
    »Glau­ben Sie nicht,
daß Sie Fie­ber ha­ben?«
    »Es ist mir egal.
Und ich glau­be es nicht.«
    Wo­zu fra­ge ich ihn
das, dach­te Lil­li­an. Bin ich auf ihn nei­disch, so wie al­le auf Eva Mo­ser?
»Kommt Cler­fa­yt heu­te abend nicht?« frag­te sie.
    »Nein. Er hat heu­te
nach­mit­tag über­ra­schend Be­such be­kom­men. Wo­zu soll er auch im­mer her­auf­kom­men?
Es muß lang­wei­lig sein für ihn.«
    »Warum fährt er
dann nicht weg?« frag­te Lil­li­an är­ger­lich.
    »Er fährt; aber
erst in ein paar Ta­gen. Mitt­woch oder Don­ners­tag.«
    »Die­se Wo­che?«
    »Ja. Ich neh­me an,
er wird mit sei­nem Be­such hin­un­ter­fah­ren.«
    Lil­li­an ant­wor­te­te
nicht; sie wuß­te nicht ge­nau, ob Holl­mann ihr das ab­sicht­lich er­zähl­te, und da
sie es nicht wuß­te, nahm sie an, es sei Ab­sicht und frag­te des­halb nicht
wei­ter. »Ha­ben Sie et­was zu trin­ken bei sich?« frag­te sie.
    »Nicht einen
Trop­fen. Ich ha­be den Rest mei­nes Gins heu­te nach­mit­tag Charles Ney ge­schenkt.«
    »Ha­ben Sie nicht
ei­ne Fla­sche Wod­ka ge­holt, heu­te Mit­tag?«
    »Die ha­be ich
Do­lo­res Pal­mer ge­ge­ben.«
    »Warum? Wol­len Sie
plötz­lich Mo­dell­pa­ti­ent wer­den?«
    »Un­ge­fähr das«,
er­wi­der­te Holl­mann et­was ver­le­gen.
    »Heu­te Mit­tag wa­ren
Sie al­les an­de­re.«
    »Ge­ra­de des­we­gen«,
sag­te Holl­mann. »Ich will wie­der fah­ren.«
    Lil­li­an schob ih­ren
Tel­ler zu­rück. »Und mit wem rei­ße ich denn von nun an abends aus?«
    »Da sind doch
ge­nug. Und Cler­fa­yt ist ja auch noch hier.«
    »Ja. Und nach­her?«
    »Kommt Bo­ris heu­te
abend nicht?«
    »Nein, er kommt
nicht. Und mit Bo­ris kann man nicht aus­rei­ßen. Ich ha­be ihm ge­sagt, ich hät­te
Kopf­schmer­zen.«
    »Ha­ben Sie wel­che?«
    »Ja.« Lil­li­an stand
auf. »Ich wer­de so­gar das Kro­ko­dil heu­te abend glück­lich ma­chen, da­mit al­le
glück­lich sind. Ich wer­de schla­fen ge­hen. In Mor­pheus' Ar­men. Gu­te Nacht,
Holl­mann.«
    »Ist ir­gend et­was
los, Lil­li­an?«
    »Nichts als das
Üb­li­che. Lan­ge­wei­le. Ein Zei­chen von gu­tem Be­fin­den, wür­de der Dalai La­ma sa­gen.
Wenn es ei­nem wirk­lich schlecht geht, soll es an­geb­lich kei­ne Pa­nik mehr ge­ben.
Man soll zu schwach da­zu sein. Wie gü­tig Gott ist, was?«
    Die Nacht­schwes­ter
hat­te ih­re Abendrun­de be­en­det. Lil­li­an saß auf ih­rem Bett und ver­such­te zu
le­sen. Nach ei­ner Wei­le schob sie das Buch bei­sei­te. Wie­der lag die Nacht vor
ihr, das War­ten auf den Schlaf, der Schlaf und dann das jä­he Auf­schre­cken aus
dem Schlaf und der ge­wichts­lo­se Mo­ment, wo man nichts wie­der er­kann­te, nicht
das Zim­mer und nicht sich selbst, wo man im sau­sen­den Dun­kel hing und nichts
als Angst war, neb­li­ge To­des­angst, end­lo­se Se­kun­den lang – bis das Fens­ter
lang­sam wie­der ver­traut wur­de und kein Schat­ten­kreuz im un­be­kann­ten Cha­os mehr
war, son­dern Fens­ter wie­der, und das Zim­mer Zim­mer, und das Knäu­el aus
Ur-Furcht und laut­lo­sem Schrei wie­der sie, für kur­ze Zeit auf Er­den Lil­li­an
Dun­ker­que ge­nannt.
    Es klopf­te. Charles
Ney stand drau­ßen in ei­nem ro­ten Schlaf­rock

Weitere Kostenlose Bücher